die insel der rauchenden fernsprecher von WIGLAF DROSTE:
„Kannst mir ruich ’ne Stange Kippen mitbringen“, sagte Ralf Sotscheck am Telefon. „Weißt ja, zum Anbieten.“ Der Wunsch war verständlich: Für eine Stange Zigaretten werden in Deutschland derzeit 35 € verlangt, in Irland zahlt man für dieselbe Menge 62,50 €. Als ich Ralf die Fluppen gab, war mir dennoch etwas schäbig zumute. Wer verschenkt schon gern ein Päckchen, auf dem weithin sichtbar zu lesen steht: „Rauchen kann tödlich sein“? Man kommt sich dabei vor wie ein falscher Fuffziger, ein Judasküsschenwerfer, ein lebendes Damenkloschwert. Erpressung durch schlechtes Gewissen, das ist die Methode der Nichtrauchermafia. Sie selbst spricht von Information und Aufklärung.
Die Botschaften auf den einzelnen Schachteln waren nicht weniger einschüchternd. „Rauchen kann zu Durchblutungsstörungen führen und verursacht Impotenz.“ War ich noch ein Freund, wenn ich solche Geschenke machte? Trüge ich die Schuld, wenn die Spermien meines Gastgebers sich demnächst so lahm und bräsig dahinschleppen würden wie ein Gedanke im Kopf von Michael Rutschky?
Diese Sorge nahm mir Ralf Sotscheck, indem er die Zichten mit einer Geschwindigkeit in Rauch verwandelte, die Zweifel an der Schnelligkeit seiner Pillepoppen überhaupt nicht aufkommen ließ. Auf das klassische Bier im Pub dazu mussten wir verzichten. Anfang 2004 wurde das Rauchen im öffentlichen Irland bei Strafe verboten, seitdem entvölkern sich die Gasthäuser. Seltsamerweise bereitet es den Iren kein Vergnügen, alle paar Minuten aufzuspringen und Gespräche veröden zu lassen, um draußen vor der Tür hastig und diskriminiert ihr Quantum Tabak wegzuputzen. Vor dieser Drangsal flüchten sie ins Private; es soll aber auch Iren geben, die ein paar Stunden Autofahrt auf sich nehmen, um im britisch regierten Nordirland mal eben ein Kippchen in der Kneipe zu schmöken – nur damit sie nicht vergessen, wie sich das anfühlt.
Weil es unerschwinglich teuer und in Gesellschaft Gleichgesinnter untersagt wurde, gab mancher Ire das Rauchen auf, sehnt sich aber noch danach. Aus dem Jieper dieser Ex-Raucher schlagen Geschäftsleute Kapital: Sie richteten kommerzielle Raucher-Hotlines ein, ganz ähnlich dem deutschen 0190er-Wesen.
Wer in Irland eine solche Telefonnummer wählt, ist nicht scharf auf Telefonsex, sondern pflegt subtilere Vorlieben. Ab 2,24 € pro Minute kann man sich von routinierten Damen und Herren etwas vorrauchen lassen. Sonderwünsche sind teurer: Wer hören möchte, wie eine Zigarette in einem einzigen tiefen Zug niedergeraucht wird, muss 7,12 € zuzahlen, das hörbare Inhalieren aus drei Lullen gleichzeitig kostet 21,36 € extra. Für etwas Paff-paff an einer Zigarre wird der Einkaufspreis einer Cohiba Esplendido veranschlagt (ca. 26 €), und wer unbedingt das schmatzende Suckeln an einer Pfeife hören will, zahlt für seinen Hang zum Rotzkocher eine Altherrenschmutzzulage von 35 €.
54 Cent pro eingenommenen Euro kassiert die irische Regierung – sie vermietet die Ein-Personen-Call-Center, in denen die Telefonistinnen und Telefonisten auch privat wohnen müssen, denn das Rauchen am Arbeitsplatz ist aus Gesundheitsgründen selbstverständlich nicht gestattet.
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