: Der Zappel-Friedrich Merz
Selbst Beruhigungsmittel können den hyperaktiven CDU-Ersatzvize nicht stoppen
Um nur mal einen zu nennen: Friedrich Merz, CDU, Brilon. Aus Gründen, die ich nicht kenne, wurde Herr Merz von seiner Partei aus dem Sauerland nach Berlin transferiert. Dort ist er jetzt Vize-Oppositions-Fraktionschef. Einer von mehreren Zweiten also. Der richtige Chef, die wirkliche Nummer eins ist Frau Merkel. Wenn die mal gerade nicht kann, weil sie was Besseres zu tun hat, darf Vize-Fritz im Wechsel mit den anderen Stellvertretern Frau Merkel vertreten.
Frau Merkel hat aber so oft gar nichts zu tun, was sie besser kann. Deswegen ist Friedrich Merz nur selten dran mit Chefspielen. Einen wie ihn macht das ganz unruhig. Ständig rumort es in ihm. „Was kann ich denn jetzt mal tun?“, quengelt der innere Unruhegeist, „ich sitz ja bloß hier auf dem Sessel rum, und die doofe Zonen-Trulla da vorne spielt sich wieder auf.“ Dann zieht er die Mundwinkel nach unten und die Stirn so hoch, bis der Haaransatz im Nacken sitzt. Der Hintern rutscht unablässig hin und her, und der lange Oberkörper taumelt wie der von traumatisierten Zoo-Elefanten, die zu wenig Auslauf haben.
Manchmal, wenn es zu schlimm wird, steckt ihm sein CSU-Vize-Kollege und Gesundheitsexperte Horst Seehofer eine Lutschtablette in den Mund. Ein eigentlich zuzahlungspflichtiges Medikament gegen Hyperaktivität. Sehr teuer, wenn es nicht vom Onkel Doktor verschrieben wird. Aber die Bundestagskollegen, die immer neben Merz sitzen müssen, haben zusammengelegt und spendieren ihm die Tabletten, weil es sonst gar nicht auszuhalten wäre mit dem Zappel-Friedrich.
Die Wirkung hält aber nie lange vor. Tranquilizer, die Friedrich Merz dauerhaft sedieren, fallen unter das Betäubungsmittelgesetz und sind im Bundestag verboten. Also jankt er so lange rum, bis er rausdarf. „Kann ich noch ’n Interview?“, ramentert der Poltergeist dann, und die Erwachsenen schicken ihn in die Lobby, wo er den Journalisten solange hinterherläuft, bis die ihm endlich ein Mikrofon hinhalten.
Seine Chefin, Frau Merkel, hat dem Friedrich über Beziehungen einen Platz in der Abgeordnetentagesstätte besorgt. Die Leiterin, Schwester Christiane Sabinsen, hat aber immer nur am Wochenende Zeit, weil sie werktags auf Mallorca ist, wo sie neue Seidenstrümpfe und cremefarbene Kostüme anprobiert, die sie sonntags abends im Ersten Deutschen Farbfernsehen vorführt.
Unter der Woche muss der Bengel also anderweitig abgelenkt werden, damit die anderen ihre Ruhe haben. Gott sei Dank müssen aber jeden Tag Zeitungen und Sendungen voll gemacht werden, so dass immer einige Druckseiten oder Sendeminuten übrig sind, auf und in denen er sich abreagieren kann.
Friedrich hat ganz viele tolle Ideen. Das kommt, weil er auf allen Gebieten Experte ist. Ja, am meisten versteht er von allem was. Zum Beispiel von Steuern und vom Arbeitsrecht und von der Wirtschaft und von Deutschland. An manchen Tagen hat man den Eindruck, Friedrich Merz sei ein ganz außergewöhnliches Wesen mit wenigstens zwölf Handgelenken, aus denen er sich in null Komma nix dreistufige Steuermodelle und Arbeitsmarktreformen und neue Tarifsysteme zu schütteln vermag. Und wenn die Zeitungen und die Sender Friedrichs Ideen dann gesendet und abgedruckt haben, kuckt und hört er sie sich alle noch mal an und glaubt, sie seien alle von ihm. Wenn er allerdings das Gefühl hat, dass sie von anderen sind, behauptet er sofort das Gegenteil.
Fragt man aber vernünftige Fachleute nach ihrer Meinung über die Ideen von Friedrich Merz, schütteln die den Kopf und sagen meistens, der wisse nicht, wovon er rede. Manche Berliner Kollegen nennen ihn deswegen hinter vorgehaltener Hand einen Quartalsirren. Das ist aber eine böse Verleumdung von äußerst ungebildeten Neidhammeln, die noch nicht mal den Kalender kennen. Quartalsirre haben ja nur alle Vierteljahre einen Aktivitätsanfall. Das aber zumindest kann man Friedrich Merz wirklich nicht vorwerfen.
FRITZ ECKENGA
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