piwik no script img

Teheran und Bagdad auf Konfrontationskurs

Mit der Entführung des iranischen Konsuls in Kerbela verschärfen sich die Spannungen zwischen Iran und Irak. Iraks Verteidigungsminister bezeichnet Iran als Feind seines Landes. Teheran versucht, den Konflikt herunterzuspielen

In den letzten zehn Tagen wurden mehr als 1.200 Iraner in Kerbela festgenommen

BERLIN taz ■ Die Konflikte zwischen Irak und Iran haben sich in den letzten Wochen verschärft. Wie der Fernsehsender al-Arabia am Sonntag berichtete, wurde der iranische Konsul in Kerbela, Fereidun Dschahani, von einer Gruppe mit dem Namen „Islamische Armee des Irak“ entführt. Das Video zeigt einen bärtigen Mann in weißem Hemd und dem Banner der Gruppe, die im vergangenen Monat zwei pakistanische Geiseln ermordet haben soll. Eine philippinische Geisel hatte sie freigelassen, nachdem die Regierung in Manila ihre Forderungen erfüllt und ihre Truppe aus dem Irak abgezogen hatte.

Zum Beleg dafür, dass es sich tatsächlich um den iranischen Diplomaten handelt, wurden mehrere Ausweise des Entführten gezeigt. Die Geiselnehmer warfen dem Konsul vor, Volksgruppen aufgewiegelt und Unruhe gestiftet zu haben. Weiterhin bezichtigten sie Iran, sich in irakische Angelegenheiten eingemischt zu haben. Eine Morddrohung gegen den Konsul wurde dem Bericht des Senders zufolge nicht ausgesprochen.

Schon am Vortag waren vier iranische Staatsbürger unter dem Vorwurf der Spionage und Sabotageakte in Bagdad festgenommen worden. Zudem wurden laut der Nachrichtenagentur Isna in den vergangenen zehn Tagen mehr als 1.200 Iraner in Kerbela festgenommen. Die meisten seien jedoch inzwischen nach Iran abgeschoben worden.

Die Reaktion Teherans auf diese Vorgänge ist auffallend mild. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums erklärte, dass das Ministerium den irakischen Botschafter einbestellt habe. Dabei gehe es auch um die jüngsten antiiranischen Äußerungen irakischer Politiker. Iraks Verteidigungsminister Hasem Schaalan hatte jüngst in der Washington Post Iran als „Hauptfeind des Irak“ bezeichnet.

Iran mische sich in irakische Angelegenheiten ein, „um die Demokratie zu töten“, sagte der Minister. Er unterstütze den Terrorismus und schleuse „Feinde in den Irak ein“. Teheran kontrolliere irakische Grenzposten und entsende Saboteure und Provokateure ins Nachbarland. Selbst die irakische Übergangsregierung, ja sogar sein eigenes Ministerium, seien von Iran infiltriert.

Schon zuvor hatte der Minister im Gespräch mit einer arabischen Zeitung gedroht: „Wenn Iran weiter bewaffnete Aktionen im Irak unterstützt, bin ich persönlich bereit, Angriffe auf sein Territorium zu unternehmen.“

Iraks Ministerpräsident Ajad Allawi, der während einer Reise durch arabische Staaten von den Äußerungen seines Kabinettsmitglieds erfuhr, zeigte sich verwundert. Irak habe keine Feinde, sagte er. „Wir versuchen auf freundschaftlichem Weg unsere Probleme mit Iran zu lösen.“ Doch entgegen vorheriger Ankündigung sagte er einen offiziellen Besuch in Teheran ab. Politische Beobachter gehen davon aus, dass er damit auf die Einmischung Irans in irakische Angelegenheiten reagieren wollte.

Die Regierung in Teheran versucht, die Konflikte herunterzuspielen. Außenminister Kamal Charrasi forderte die „neuen Führer Iraks“ auf, „in dieser sensiblen Situation mehr Bedachtsamkeit walten zu lassen“. Das iranische Außenministerium untersucht den Fall Dschahanis nach eigenen Angaben in Zusammenarbeit mit irakischen Behörden, der britischen Botschaft in Teheran sowie der Schweizer Botschaft, die die Interessen der USA in Iran vertritt.

„Uns liegen keine exakten Informationen über die Gründe und Motive der Geiselnahme vor“, erklärte das Teheraner Außenministerium. Anders als die Regierung wütete die rechte Presse in Iran gegen die irakische Regierung. Eine Zeitung bezeichnete den irakischen Verteidigungsminister als „Spion der USA“ und warf ihm „Raub des irakischen Volkseigentums“ vor.

BAHMAN NIRUMAND

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen