pampuchs tagebuch: Kolumbus in der Teergrube
Was musste ein Odysseus, ein Marco Polo, ein Kolumbus für Anstrengungen unternehmen, um zu neuen Ufern zu gelangen! Wir klicken ein paarmal, und schon befinden wir uns staunend (oder eben nicht einmal mehr das) auf fremdesten Sites, treffen auf Gestade, von deren Existenz wir nicht einmal träumten, und erfahren Dinge, von denen wir nicht das Geringste wussten, ja oft nicht einmal wissen wollten.
Doch wie die alten Segler vermutet der Surfer hinter jedem Gestade neue Abenteuer, neue Wege und Kontinente. Und wir klicken und klicken, surfen von Site zu Site und finden das Ende doch nie – auch darin Kolumbus nicht unähnlich. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Phänomen, das man als Bermudadreieck bezeichnen könnte. Schnell kann man beim fröhlichen Surfen sich selbst verlieren, in endlose Schleifen geraten, um sich dann erschöpft und ausgegoogelt in einem Sargassosee selbstreferenzieller Links wiederzufinden.
Immerhin trifft man bei diesen Streifzügen gelegentlich auf, wenn schon nicht lebenswichtige, so doch lebenserleichternde Inselchen. Gerade wir Amateure des Netzes sind ja so dankbar, wenn uns Cyber-Profis an der Hand nehmen und behutsam über die steilen und kantigen Klippen des IT-Business führen. Dass sie dabei sicherlich auch schnödere Interessen als das selbstloser Hilfe haben, wissen wir, doch was tut's. Schon um die zu erkennen und zu benennen, bedarf es heute ständiger Weiterbildung.
Unschlagbar in der Verquickung von Eigen- und Allgemeininteresse sind, wie wir wissen, die Amerikaner (das haben sie ja vielleicht von ihrem in dieser Hinsicht durchaus erfolgreichen Entdecker Kolumbus). Wie man das im IT-Geschäft macht, zeigt die von der Firma Techtarget Network angebotene Seite whatis .techtarget.com, die nun wirklich für alle Fragen aus dem Bereich IT und Computer eine Rolle spielt, handliche Antworten bereithält – einen dafür aber mit gesponserten Links zuschüttet, dass einem schummrig werden kann. Doch die Seite ist Gold wert. Allein um die Kategorien der Searchfunktion halbwegs zu verstehen, musste ich diese mehrmals bemühen. Dafür weiß ich aber jetzt, dass CIOs „Chief Information Officers“ sind, die in amerikanischen Firmen inzwischen häufig gleich hinter dem CEO (nachgucken!) rangieren. Ich weiß, dass CRM „Customer Relationship Management“ heißt, was heutzutage vor allem die Kundenbetreung über Internet, Software und Datenbanken bedeutet. Und ich habe die erfreuliche Entdeckung gemacht, dass es nach all den Anglizismen, die uns die Computersprache aufnötigt, jetzt offensichtlich eine germanistische Gegenbewegung gibt. Denn – man höre und staune – das „word of the day“ – auch diesen netten Service bietet die Seite – hieß am Dienstag „teergrube (German for tar pit)!“ Es bezeichnet einen Netzserver, der mit Absicht sehr langsam arbeitet und damit zu einer Falle für Spammer wird, die „Adressenernteprogramme“ benutzen. Der Spammer kann mit Hilfe des SMTP (nachgucken!) bis zu 24 Stunden in der Grube festgehalten und manchmal sogar dingfest gemacht werden.
Natürlich hätte man die „Teergrube“ auch „Sargasso“ nennen können. Aber mal ehrlich: Teergrube hat was. Finden ja auch die Jungs von whatis.com. Deutschland dankt. THOMAS PAMPUCH
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