Der Anti-Berufspolitiker

Bremens neuer Finanzsenator Ulrich Nußbaum ist aus „sozialer Verantwortung“ in sein schwieriges politisches Amt gegangen. Den Bundesfinanzminister Hans Eichel hat er am Ende eines persönlichen Gesprächs ganz direkt gefragt: „Kriege ich Geld?“

„Mich reiztan der Politik nicht die Rolle als Begrüßungsonkel“

Bremen taz ■ Als der Name des parteilosen und parteipolitisch unerfahrenen Bremerhavener Unternehmers Ulrich Nußbaum für das Amt des Bremer Finanzsenators fiel, da war das erste Urteil schnell klar: Da geben die alten Hasen der bremischen Politik das wichtigste Amt einem Neuling, einem Nobody. Hartmut Perschau, der Spitzenkandidat der CDU, wollte die Verantwortung loswerden, keiner in der SPD wollte sie übernehmen. Ein Prügelknabe für das Scheitern der Sanierungsbemühungen schien gefunden.

Was reitet den Mann aus Bremerhaven, diese undankbare Rolle zu übernehmen? Mit seinen ersten Schritten hat der neue Senator gezeigt, dass er eine eigene Rolle spielen will. Er sei nicht aus beruflicher Not in die Politik gegangen, sagt Nußbaum. „Ich könnte irgendwo nett sitzen“. Aber es gebe für ihn auch eine „soziale Verantwortung“. Deswegen sei er in der Politik engagiert.

Über Jahre hat der promovierte Jurist in seinem Fischhandelsunternehmen „nur geguckt, wie kann man Geld verdienen“. Der politische Betrieb stieß ihn eher ab. Er habe sich oft geärgert, erzählt er, wie lokale Politiker sein Steuergeld „fröhlich rausknallen“. Nie wolle er nach seinen Erfahrungen in Bremerhaven mit der CDU in einen Topf geworfen werden. Konsequent wäre es gewesen, den Firmensitz seines Außenhandelsunternehmens in ein Land wie die Schweiz zu verlegen, in dem man weniger Steuern zahlen muss, auch weniger Erbschaftssteuern. Er entschied sich aus familiären Gründen, in Bremerhaven zu bleiben – und sich zu engagieren. Gegen den Ocean-Park fing es an. Und dann kam der Kontakt zum Oberbürgermeister Jörg Schulz und zu Henning Scherf.

„Mich reizt an der Politik nicht diese öffentlichkeitswirksame Rolle als Begrüßungsonkel“, sagt der Senator. Er sieht sein Engagement als eines auf Zeit, will „mit Sicherheit nicht Berufspolitiker werden“, sich nie um seine Wiederwahl sorgen müssen. Daher gefällt ihm die Rolle im Finanzressort viel besser als die des Wirtschaftssenators, die zunächst im Gespräch war.

Als Finanzsenator hat er zunächst einmal intern einen Kassensturz gemacht. „Ich wollte für mich einen Ist-Status haben“, sagt er. Erst danach komme die Frage: Wie kann man „sozial verantwortlich“ einen verfassungskonformen Haushalt für Bremen planen? Noch klafft eine Lücke von mehr als 300 Millionen Euro zwischen den jährlichen Einnahmen und den Ausgaben. Die Konsequenz: „Wenn man einen verfassungskonformen Haushalt will, dann kommt man um die größte Position nicht herum: die Personalkosten. Das sind 1,1 Milliarden Euro jedes Jahr.“ So drastisch hat das bisher kein Finanzpolitiker formuliert, weder von der SPD noch von der CDU.

Und während Politiker der großen Koalition seit Jahren gegen den Widerstand sozialdemokratischer Parteitagsbeschlüsse versuchen, die kommunalen Anteile an der Gewoba an den Markt zu bringen, hat auch hier der Kaufmann Nußbaum seine eigene Ansicht: „Die sollten wir jetzt nicht verkaufen. Ich erwarte eine vernünftige Kapitalverzinsung.“

Mit den Fachressorts gibt es derzeit Detailverhandlungen. Bei Inneres „ist Luft“, findet Nußbaum. Auch die Ressorts Häfen und Wirtschaft hätten Spielräume. Die notwendigen Streichungen im Sozialressort liegen ihm stark im Magen. „Da geht es oft um Bereiche, für die ich früher gespendet habe, privat“.

Aber lohnt sich der Aufwand, wird es am Ende aus Berlin die vom Kanzler zugesagte Hilfe geben, wenn Bremen seine „Hausaufgaben“ macht? Der Neue hat sofort den Kontakt zu Finanzminister Hans Eichel gesucht, der unter Perschau abgerissen war. Es sei „ein richtig persönliches Gespräch“ gewesen, „natürlich habe ich ihn nicht in der ersten halben Stunde mit dem Kanzlerbrief genervt“. Auch Nußbaum weiß, wie man ein Gegenüber zur Weißglut bringen kann. So ungeschickt will er nicht sein. Erst am Ende habe er das Thema angesprochen, dann aber ganz direkt: „Kriege ich Geld?“ Eichel habe ihm klargemacht, dass er als Minister dagegen sein müsse, das sei eine politische Frage. Die Fachebene müsse für die politische Entscheidung die Zahlen vorbereiten, um die es geht. „Ich bin persönlich der Meinung: Wir werden da nicht einfach einen Scheck kriegen. Alle Länder haben heute Haushaltsprobleme.“ Wird es am Ende ein Machtwort des Kanzlers für Bremen geben? Nußbaum bleibt Realist: „Glauben Sie nicht, dass Politik ein rationaler Prozess ist.“

Auch das Bundesverfassungsgericht wird eine Rolle spielen. Nußbaum hat aus seiner Studienzeit noch gute Kontakte zu Vertretern des öffentlichen Rechts. „Berlin wird auch nicht einfach einen Scheck bekommen“, kommentiert er die Karlsruher Klage der Hauptstadt. Eher werde das Gericht generelle Aussagen zur Neuordnung des Finanzausgleichs machen. „Es gibt keine Länderneugliederung, aber das föderale System wird neu geordnet.“ kawe/jox