: Der Bettelmönch wird eingespart
Mein Gott Hamburg: Musikfest eröffnete ohne Olivier Messiaens „François d’Assise“ – dafür aber mit Ligeti und Kurtag
Das am Wochenende begonnene Hamburger Musikfest, von Hamburgs Opern- und Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher anno 2000 wiederbelebt, hat sich noch nie mit bescheidenem Anspruch zufrieden gegeben. So lasen sich die Übertitel der ersten Jahre auch: „Zeit“, „Welt-Raum“, „Zeugnis“. Und dieses Jahr nun das Motto „Gott“.
Wer weiß, welche Projekte ursprünglich geplant waren, dem mag ein solcher Titel einleuchten. Schließlich plante man ursprünglich nichts Geringeres als eine szenische Aufführung von Olivier Messiaens Oratorien-Oper über den Heiligen Franziskus, eines der gewaltigsten Musikstücke des vergangenen Jahrhunderts. Doch mit diesem Projekt ist es nichts geworden wegen der Sparpolitik von Kultursenatorin Dana Horáková. Messiaens Klangkunstwerk wurde ersatzlos gestrichen. Dem Festival fehlt somit das Highlight, das für internationale Aufmerksamkeit hätte sorgen können
Trotzdem aber sind dieser Tage einige mehr als bemerkenswerte Konzerte in Hamburg zu erleben. Die Eröffnung mit einer Auftragskomposition für Chor und die vier Hauptgeläute der Hamburger Kirchen war als Idee allerdings wenig überzeugend in Anbetracht der Tatsache, dass die vier Kirchengeläute kaum zusammen zu hören sind und Glockenkonzerte bereits in vielen Städten der Welt kreiert wurden. Am Sonnabend allerdings gab es ein Konzert mit höchstem Festivalrang: Zoltan Pesko dirigierte das NDR-Sinfonieorchester und Chor mit Werken von György Ligeti, György Kurtag und Luigi Dallapiccola. Kurtags Musik zwischen konzentrierten musikalischen Aphorismen („Messages“), leis-flächigen Klangerkundungen und den Raum fast zum Bersten bringenden Klangeruptionen („Grabstein“) geriet zum Ereignis. Und Ligetis sphärisches „Lux Aeterna“ erwies sich einmal mehr als ein Meisterwerk der klassischen Moderne. Die Stücke der beiden Ungarn gelangen dermaßen eindringlich, dass man bereits in der Pause mit zutiefst bewegenden Eindrücken hätte nach Hause gehen können. Doch das Unerwartete geschah im zweiten Teil des Abends tatsächlich: Dallapiccolas wenig bekanntes Opus Magnum, sein biblisches Oratorium Hiob gelang genauso gut. Ein großer Abend.
REINALD HANKE
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