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fern vom zeusHerr Spiropoulos regiert

Griechische Erkenntnisse über die Hochleistungssorte Mensch, die sich immerzu bewegen und dabei alles voll schwitzen muss

„Ich hab schon olympische Ringe unter den Augen“, sagt der griechische Lebensmittelhändler. Es ist hoher Mittag, Gary-Cooper-Zeit, wir trinken Espresso. Der Lebensmittelhändler zündet sich eine Filterzigarette an, ich lege Feuer an eine kleine kubanische Zigarre.

Herr Spiropoulos betritt das Lokal. Er ist Weinimporteur, ein grauhaariger, eleganter Mann, der gute Kleidung, gutes Essen und guten Wein schätzt. Er hat einen Karton unter dem Arm, Dorkas, griechischen Wein, der nichts mit dem Zeug zu tun hat, das Udo Jürgens einst besang. Herr Spiropoulos ist studierter Sozialwissenschaftler, deshalb hat er sich dem Weinhandel zugewandt. Er spricht gern und viel über diverseste Themen, während der EM hat er dem Lebensmittelhändler und mir das Wesen Griechenlands anhand Otto Rehhagels erklärt, bis wir vor Ehrfurcht ganz schwindelig waren. Generös hatte der Importeur einige Flaschen und uns die Augen geöffnet für den Genius des Göttlichen aus Essen-Steele.

Jetzt spricht Herr Spiropoulos über Olympia. Es ist heiß, sehr gut könnte ich ohne Worte durch den Tag kommen, Kaffee trinken und rauchen und keinen Gedanken verschwenden an die Hochleistungssorte Mensch, die sich immerzu bewegen und alles voll schwitzen muss. Herr Spiropoulos übernimmt den aktiven Teil der Konversation, der Lebensmittelhändler und ich dürfen schweigen oder allenfalls ein bisschen affirmatives Grundgeräusch verbreiten. Den Skandal um die griechischen Sprinter Kenteris und Thanou findet Herr Spiropoulos peinlich. „Typisch griechisch“ sei das und „semiprofessionell“ – man hätte die beiden Athleten eingegipst durchs Stadion tragen sollen, dann hätte man das Mitgefühl der Weltöffentlichkeit erregt, sagt Herr Spiropoulos und entkorkt eine Flasche Weißwein. Wir schweigen, nicken zustimmend und trinken.

Es ist sehr warm an diesem Mittag, der Wein wirkt sofort, man muss unbedingt nachessen. Der Lebensmittelhändler bringt Oliven und Oktopus, wir kauen. Herr Spiropoulos findet, Otto Rehhagel solle die griechische Olympiamannschaft trainieren, und schenkt reichlich nach. Zwischendurch doziert der herrliche Mann über handgenähte Schuhe und die Sardelle als solche; der Lebensmittelhändler und ich versuchen, mit dem rasanten Tempo seines Gedankengangs Schritt zu halten; es bleibt beim Versuch. Niemals, weiß Herr Spiropoulos, hätten die griechischen Wasserballer gegen ihre deutschen Kollegen verlieren können, wenn Otto Rehhagel sie trainiert hätte. Der eingelegte Tintenfisch schmeckt vorzüglich, bei Wasserball fallen mir nur die schmerzhaftesten Fouls aus meiner Schulzeit ein. Es ist so schön, nie wieder Sport zu machen. Herr Spiropoulos zersticht die Luft mit einer Zigarette und öffnet die nächste Flasche. Wäre Franziska van Almsick Griechin, hätte sie Gold geholt, sagt er – schließlich wäre sie dann von Otto Rehhagel trainiert worden. Herr Spiropoulos spricht und entkorkt uns die Welt des Sports. Sacht und sutsche verstreicht die Zeit, auf einmal ist es Abend. Ein langer Sporttag geht zu Ende.

WIGLAF DROSTE

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