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Kritisch lesen lernen

Ein Fall für den Presserat: Weser-Kurier startet erneute Staffel von Zeitung in der Schule. Im vergangenen Jahr trug ihm das eine Missbilligung der journalistischen Ethik-Kommission ein – wegen Schleichwerbung

Unangemessen häufig, befindet der Presserat, wird auf den Sponsor hingewiesenBodo Hombach: „Die Glaubwürdigkeit ist eine große Chance für Regionalzeitungen“

Bremen taz ■ Dank Willi Lemke (SPD) wird der Bremer Weser-Kurier in seiner nächsten Beilage „Zeitung in der Schule“ eine Missbilligung des Deutschen Presserats veröffentlichen. „Dazu sind wir nicht verpflichtet“, hatte der Stellvertretende Chefredakteur des Blattes, Peter Bauer, zunächst noch unwirsch auf entsprechende Fragen reagiert. Dann aber hatte der Bildungssenator befunden, es wäre doch klug, „wenn die Schüler sich offensiv mit diesem Thema auseinander setzen würden und natürlich auch den Presserat dazu selbst befragen“. Das befand Bauer, der kurz zuvor noch das vornehmlich mit Redakteuren besetzte Selbstkontroll-Gremium des deutschen Journalismus der Weltfremdheit bezichtigt hatte, denn auch eine gute Idee: „Das werden wir tun“, kündigte er an. „Ganz bestimmt.“

Anlass dieser Ankündigung: Die nächste Staffel der Zisch-Beilage wurde gestern angekündigt. Das von Willi Lemke angesprochene Thema – das ist die Vermischung von Werbung und redaktionellem Teil, kurz: Schleichwerbung. Denn das Zisch-Projekt, seit 25 Jahren bundesweit vom Aachener Institut zur Objektivierung von Lern- und Prüfungsverfahren (Izop) koordiniert, wird weitgehend durch Sponsoring finanziert.

Das führt mitunter zu Grenzüberschreitungen. Bereits vor mehreren Jahren war Zisch deshalb in anderen Städten auffällig geworden: Unterstützt von einer Fast-Food-Kette und einem Online-Buchgeschäft war das Schüler-Interesse ausgerechnet auf diese beiden Unternehmen gelenkt worden. Ausgesprochen wohlwollend war die Berichterstattung ausgefallen. Deshalb hatte der Presserat 2001 klargestellt, es sei „unerlässlich, dass die presseethischen Grundsätze strikt beachtet werden“ und zwar „gerade dann, wenn jungen – journalistisch unerfahrenen – Menschen die journalistische Arbeitsweise näher gebracht werden soll“.

Diese Erklärung zitiert auch die vom Beschwerdeausschuss formulierte Missbilligung des Bremer Zeitungs-Marktführers. Dort unterstützte im vergangenen Jahr Kraft Foods das Zisch-Projekt. Die Folge: vierfarbig gedruckte, reich bebilderte und von Schülern betextete Seiten über Milka, die dazugehörige Kuh und Kaffee Haag.

Zwar sei Zisch ein begrüßenswertes Projekt, so das Votum der Presserats-Kammer im Juni. Doch „unangemessen häufig“ werde „auf den Sponsor Kraft Foods hingewiesen, auch die Bildveröffentlichungen von Kraft-Produkten überschreiten das vertretbare Maß.“ Die Entscheidung, so der Referent des Beschwerdeausschusses Arno Weyand gestern auf Nachfrage, sei „sehr schnell gefallen: Der Verstoß war evident.“

Mit zum Projekt gehöre es, so Zisch-Vater Peter Brandt gestern, die Jugendlichen mit wichtigen Institutionen „wie dem Presserat vertraut zu machen“. Besonders hoch scheint seine Wertschätzung für die journalistische Ethikkommission indes nicht zu sein: „Ich finde es bekloppt vom Presserat“, so der Izop-Geschäftsführer wörtlich über die ausgesprochenen Sanktionen, „dass er sich um diese Sachen kümmert.“ Bauer versuchte indes, den hauseigenen Verstoß zu bagatellisieren: „Eine butterweiche Erklärung“ nannte er die Mitteilung des Presserates. Es sei ja auch „nur eine Missbilligung“ gewesen. Und überhaupt: Wirtschaftsberichterstattung müsse ja auf Unternehmen hinweisen, das sei „immer eine Gratwanderung“.

Schleichwerbung als Kavaliersdelikt? Ein bemerkenswertes Votum. Einzigartig dürfte es nicht sein in der Medienlandschaft: In zunehmendem Maße dringe Werbung in den redaktionellen Teil gerade von Printprodukten ein, heißt es im aktuellen Jahresbericht der Presse-Hüter. Das Trennungsgebot neu zu beleben, fordert dort deshalb der – gar nicht so weltfremde – Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe Bodo Hombach. „Die Glaubwürdigkeit als Basis der Akzeptanz ist eine große Chance für Regionalzeitungen“ formuliert er in seinem Beitrag.

Ihm sei es „wichtig, dass die Schüler-Zeitungen – ich betone den Plural – wahrnehmen und lesen lernen“, so hatte Willi Lemke eingangs der Zisch-Vorstellung sein Engagement für das Projekt erläutert. „Entscheidend ist, dass sie kritisch mit Informationen umgehen können.“

Benno Schirrmeister

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