piwik no script img

EU droht mit Strafzahlungen

Finanzressort hat ausgerechnet: Bremen müsste 2005 zwischen 25 und 63 Millionen Euro Strafe zahlen, falls die Neuverschuldung nicht drastisch reduziert wird. Auch Investitionen dürften nicht unbegrenzt auf Pump finanziert werden

Bremen taz ■ „Wir haben unsere Erde von unseren Kinder nur geborgt“, haben die Grünen früher plakatiert. Inzwischen ist es eher der sanfte Druck der EU-Bürokratie, der die Länder zu einer Begrenzung ihre Verschuldung auf Kosten späterer Generationen zwingt. Die Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages werden auch das Land Bremen direkt betreffen. Um für den Senat die Dimension des Problems aufzuzeigen, hat das Finanzressort eine interne Expertise angefertigt, die die rechtlichen Aspekte darstellt und die finanziellen Folgen an einer Modellrechnung ausrechnet. Fazit: Das Land Bremen verstößt heftig gegen den Stabilitätspakt, und das kann bei „fortgesetztem Fehlverhalten“ – so der juristische Terminus – zwischen 25,3 und 63 Millionen Euro Strafzahlungen jedes Jahr kosten – Tendenz steigend.

Seiner Modellrechnung hat der Verschuldungs-Experte im Finanzressort, Heinz Wübbenhorst, die Zahlen des Jahres 2002 zugrunde gelegt. Nach den Überlegungen des Finanzplanungsrates von Bund und Ländern sollen die für 2005 und 2006 drohenden Strafdrohungen im Verhältnis 45 zu 55 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Unter diesen Annahmen könne man „am Beispiel für das Jahr 2002“ zeigen, heißt es in dem internen Bremer Papier, „über welchen Defizitrahmen Bremen verfügen könnte“ – nach den Vorgaben des Stabilitätspaktes, und wenn die zulässigen Defizite im Verhältnis des Bruttoinlandproduktes (BIP) unter den Bundesländern verteilt würden. Die zulässige Verschuldung Bremens beträgt demnach genau 378,9 Millionen Euro. Lässt man die Sanierungshilfe des Bundes außer Acht, hat Bremen in Wirklichkeit aber 1,2 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. „Mögliche Sanktionen“ dafür, schreibt das Finanzressort, lägen zwischen 25,3 und 63,2 Millionen Euro. Insgesamt müsste Deutschland zwischen vier und zehn Milliarden Euro Strafe zahlen, wenn im Jahre 2005 oder 2006 die Neuverschuldung so hoch läge wie 2002.

Der bei dieser Aufteilung vom Finanzressort gewählte „BIP-Schlüssel“ ist für das Land Bremen besonders günstig, da die wirtschaftliche Leistung der Pendler zu Gunsten von Bremen mitgerechnet wird. In der Diskussion sind allerdings auch Schlüssel nach Einwohnerzahlen oder nach dem aufgelaufenen Defizit – danach würde nur eine sehr viel geringere Neuverschuldung Bremens toleriert.

Die Stabilitätskriterien der EU gehen weit über das hinaus, was im deutschen Haushaltsrecht festgelegt ist. In einer Analogie zu unternehmerischem Handeln ist es etwa auch nach bremischem Haushaltsrecht erlaubt, die „Investitionen“ in die Infrastruktur über Kredite zu finanzieren – in der Annahme, dass sich der Bau von Straßen oder Tourismus-Attraktionen „rentiert“. Nur die laufenden Ausgaben müssen aus den laufenden Einnahmen finanziert werden. Gegen bremisches Haushaltsrecht verstoßen aus diesem Grund „nur“ 654 Millionen Euro der neuen Schulden, die im Jahr 2002 gemacht wurden.

Bund und Länder planen auf dem Hintergrund der weitergehenden Stabilitätskriterien der EU, ihre Nettokreditaufnahme insgesamt „ab dem Jahr 2003 jährlich mit dem Ziel ausgeglichener Haushalte zu reduzieren“. Der Finanzplanungsrat hat das Ziel formuliert, „bis zum Jahre 2006 einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen.“ Und weiter: „Jede öffentliche Körperschaft wird in den kommenden Jahren ihren Beitrag zur Erreichung dieses gemeinsamen Zieles leisten.“ Nur solange Bremen anerkanntes „Haushaltsnotlage-Land“ ist, kann es sich dieser Verpflichtung entziehen. „Daraus ergibt sich für Bremen die Verpflichtung, spätestens in dem Jahr nach Abschluss der Sanierung mit dieser Maßnahme zu beginnen“, heißt es am Ende des Finanzpapiers trocken.

Klaus Wolschner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen