fern vom zeus: Kite-Surfen und eine Herde Elefanten
Die Olympischen Spiele, die morgen zu Ende gehen, sind zu kurz und zu klein. Was sie dringend benötigen, ist ein ordentlicher Schuss Gigantismus
Was? Das soll es gewesen sein? Vorbei? Aus? Ende? Flamme futsch? Wo man sich doch gerade erst richtig warm geschaut hat. Gelernt hat, blitzschnell und blind den richtigen Knopf auf der Fernbedienung zu drücken, sobald sich irgendein Steinbrecher- oder Kerner-Grinsen, Beck- oder Poschmann-Sermon ankündigt; und zurück, wenn die Wortspieldichte bei Eurosport zu beängstigend wird. Sich daran gewöhnt hat, morgens jemanden, bebootet oder pur, durchs Wasser pflügen zu sehen, mittags mit arabischen Scheichs auf Tontauben zu ballern, nachmittags den Girls und Boys beim Beachvolleyball auf die Finger zu schauen, abends fettgedopte Werfer oder muskelgebirgige Läufer zu bewundern, und zwischendrin ein paar keifende Zylinderladys auf hohem Ross einhertrippeln zu sehen. Und auf einmal ist Schluss? Liebe Leute vom IOC, das kann nicht euer Ernst sein!
Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Die Olympischen Spiele sind zu kurz. Zu klein. Zu popelig. Was wir brauchen, ist mehr Größe. Höchste Zeit, dass IOC-Präsident Jacques Rogge aufhört, von zu viel Gigantismus zu schwafeln. Im Gegenteil: Olympia muss gigantischer werden. Fußball-Europameisterschaften dauern inzwischen drei Wochen, Weltmeisterschaften gar vier. Wie können sich die Spiele aller Spiele da mit läppischen zwei begnügen? Olympia ist das bedeutendste Sportereignis der Welt und findet bloß alle vier Jahre statt. Noch! Was gibt es da zu kleckern, wenn man auch klotzen kann? Drei Wochen sind Minimum, vier wären ideal. Außerdem: mehr Sportler, mehr Funktionäre, mehr Kampfrichter und vor allem: mehr Sportarten. Finger weg vom Modernen Fünfkampf, vom Softball oder vom Schießen auf Laufende Scheiben. Antiquierte Sportarten, viele vom Aussterben bedroht, machen schließlich auch den Reiz Olympias aus. Also her mit Tauziehen, Schlusssprung, Darts, Petanque, Dreiband-Billard und dem 4-Meilen-Mannschaftslaufen. Natürlich müssen sich die Spiele aber auch aktualisieren und neuen Sportarten öffnen: Big Air und Kite-Surfen, Bike-Stunt, Inline-Skating und Wakeboard. Unverzichtbar außerdem Disziplinen, die in großen Teilen der Welt – oder auch in kleineren – riesige Popularität genießen: Rugby, Cricket, Golf, Polo, Pelota, Squash und – nicht zu vergessen – Elefantenpolo. Gigantisch! Vielleicht sollte man lieber fünf Wochen einplanen.
Wer solche Spiele ausrichten soll? Welche Frage! Die größten Metropolen dieser Erde stehen Schlange, um Olympiastadt zu werden. Sie bestechen, protzen, schummeln und investieren Millionen und Abermillionen, nur um sich bewerben zu dürfen. Wenn sie so scharf darauf sind, dann kann man ja wohl auch erwarten, dass sie ein Elefantenpolostadion bauen. Als entscheidendes Kriterium für die Größe Olympischer Spiele festzulegen, dass sie auch in Leipzig stattfinden könnten, wäre jedenfalls mehr als aberwitzig. MATTI LIESKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen