Jukebox

Die Sonne geht auf und auch wieder unter

Hab ich schon mal gesagt, dass ich mir zwischendurch ganz gern was von den tschechischen Bands anhöre? Gerade, weil es nicht swingt. Zumindest anders. Platten von Dunaj (die es nicht mehr gibt) oder Už Jsme Doma. Die ackern weiter, wetzen sich den Hintern in den kleinen Clubs ab, unverdrossen. Am vergangenen Wochenende spielten sie im Supamolly, und da war es wieder, das Drängeln auf kleinem Raum. Stampfen und Bollern. Das Rennen gegen die Wand. Schreien. Hörte man genauer hin, merkte man schon, wie sie da rauswollen, einfach raus. Hörte man aber noch etwas genauer, spürte man, dass die ganz genau um das Geworfensein wissen in diesem Hamsterrad. Alle Türen geschlossen: „Mach Licht – man kann nicht sehen / wen man hassen soll / wer im finstern Schatten birgt / wer uns nicht Leid tun soll“, heißt es in einem ihrer Lieder, weil ey, das ist kein fröhlicher Ringelpietzpunk. Sondern wirklich böse. Schwarzes Theater. Vulgärpsychologisch könnte man da noch das Eingesperrtsein in realsozialistischer Zeit hören, die Už Jsme Doma durchaus am eigenen Körper spürten, Polizei, abgebrochene Konzerte und so, aber ich glaube, dass ihnen einfach auch die Polka in den Knochen steckt, die eigentlich der Veitstanz der Ohnmacht ist. Dunkles Licht. Im Osten geht die Sonne auf und im Westen geht sie unter. Meine Güte, wo man hinschaut, immer ist da schon wieder so eine neue Band aus dem Boden gekrochen, die aus Folk und Country was zu machen versteht. Höre ich gern zwischendurch, weil es swingt. Die Räume öffnet. So viel Weite. Wilco. Lambchop. Calexico. Bright Eyes. Und Okkervil River. Sie kommen aus Austin (und spielen am Montag im Zentral). Kennen auch den Slowmotion-Soul, und dabei ist ihnen ganz egal, dass der letzte Planwagen schon vor 100 Jahren abgefahren ist, wird schon noch mal ein Treck kommen, Richtung Westen, und die Gefühle jubilieren in Technicolor, weil man weiß, dass das eigentlich gar nicht mehr wahr sein kann. Und trotzdem da ist. Inbrunst, Gospel, Blues. Lichte Dunkelheit. THOMAS MAUCH