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Taktische Züge auf dem Spielbrett des Lebens

Das Freie Werkstatt Theater Köln startet mit der Bühnenfassung eines Erfolgsromans aus dem Jahre 2001 in die neue Saison. Shan Sas „Die Go-Spielerin“ überzeugt durch Dichte, Engagement, Tiefgang und schauspielerische Leistung

Das Gegenüber einkreisen, umschlingen, umzingeln. Und am Ende durch die Kraft der Gedanken besiegen: Schlüsselworte des Stücks „Die Go-Spielerin“, mit dem das Freie Werkstatt Theater Köln in die neue Spielzeit startet. Auf der Bühne nimmt das alte fernöstliche Strategiespiel politische und zwischenmenschliche Dimensionen an.

Ort und Zeit des Dramas sprechen von Kampf und der genauen Planung des nächsten Zuges: Die Mandschurei ist 1937 ein japanischer Vasallenstaat. In den Köpfen der Menschen mischen sich chinesische Tradition, europäische Moderne und der Hass auf die Besatzer. Auch die junge Aristokratin „Gesang der Nacht“ (exzellent: Linda-Moran Braun) steht in diesem Gemenge zwischen den konservativ-ästhetischen Wertvorstellungen ihrer Eltern und den radikalpolitischen der studentischen Untergrundkämpfer. Um ihren eigenen Weg aus diesen Wirren zu finden, spielt sie Go. Das schult das Denken und die Konzentration. Was sie nicht weiß: Ihr Gegner beim täglichen Spiel auf dem Platz der Tausend Winde ist ein Spion, ein japanischer Leutnant im chinesischen Gewand. Auch ihn bringt das Spiel weiter: Er findet Dinge, die er gar nicht gesucht hat, Liebe vor allem. Eine Liebe, die sich lange nicht verrät, die viel mit Taktik und Kalkül zu tun hat und die äußerlich in einer Tragödie endet, innerlich aber in großer Harmonie.

Mit ihrem dritten Roman „Die Go-Spielerin“ (2001) hatte die Autorin Shan Sa (1972 in Peking geboren, seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 in Paris lebend) einen sensationellen Erfolg. Für die Dramatisierung des Stoffes zeichnen Johannes Kaetzler und Gerhard Seidel verantwortlich. Ihnen gelingt eine dichte, engagierte und sehr spannende Inszenierung. Sie übernimmt die Struktur des Go-Spiels, kreist Zug um Zug ihr Thema ein, während die Akteure kleine Höckerchen wie Spielsteine über den Boden schieben.

Da prallen die Nationen auf einander, enthüllt sich die Verlogenheit einer Besatzungssituation, wird die Todesverliebtheit der japanischen Kultur sichtbar. Streckenweise bummelt das Stück etwas vor sich hin, hängt zu sehr am Roman, doch das ist verzeihlich angesichts einer Aufführung mit Tiefgang und sauberen schauspielerischen Leistungen (sehr gut: Torben Krämer als hölzerner Leutnant, zum Schreien: Dieter Scholz als lüsterner Engelmacher und Ingrid Berzau als pseudo-sowjetische Sprechstundenhilfe).

Für seine Liebe zu ihr würde er auf den Krieg verzichten, sagt der Leutnant. Ein schöner Abschluss eines gelungenen Spieleabends. Holger Möhlmann

Weitere Termine: 10., 11., 17., 18.9., jeweils 20 Uhr, Freies Werkstatt Theater Köln, Zugweg 10, Tel.: 0221/32 78 17

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