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Die Runde von Riga

Häfen, Autobahnen, Brückenschlag: Bürgermeister Ole von Beust will auf der Jahrestagung des Baltic Development Forums in der lettischen Hauptstadt die Rolle Hamburgs als Tor zum Osten stärken. Forums-Gipfel findet nächstes Jahr an der Elbe statt

von SVEN-MICHAEL VEIT

Nach Osten geht der Blick, und er ist begehrlich. Auf Wachstum in Wirtschaft, Hafenumschlag und Verkehr richtet er sich und auf alle Länder an der Ostsee. Und seitdem Gewissheit ist, dass Polen sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im nächsten Jahr der EU beitreten werden, fokussiert er sich auf diese vier Staaten.

Neu justiert wird deshalb auch Hamburgs Visier: Gestern und heute weilt Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in der lettischen Hauptstadt Riga, um von der „besonderen Funktion“ der Hansestadt als „logistisches Einfallstor zur Ostsee“ zu schwärmen. Für solche Kunde eignet sich nichts besser als die Jahrestagung des Baltic Development Forums (BDF), eines der beiden informellen Netzwerke, welche Europas dynamischste Zukunftsregion zwischen Elbe-Mündung und St. Petersburg umspannen (siehe Kasten) und sich selbst als „Global Frontrunner“ begreifen.

Mit Staats- und Regierungschefs konferiert der Bürgermeister, mit Vertretern von Handel und Wirtschaft ohnehin, und auf einer Podiumsdiskussion am gestrigen Abend wird er sein „zentrales Anliegen“ vorgetragen haben: „die wachsende Bedeutung der Ostsee als Verkehrsträger“. Denn es gilt, in den kommenden Jahren einen „Absatzmarkt“ mit etwa 55 Millionen Menschen „zu erschließen“, wie unlängst das Baltic Sea Forum formulierte, das BDF-Pendant aus Wirtschaft und Finanzwelt.

Um dabei zu sein, baut Hamburg bereits die kleine Hanseschwester Lübeck zum Filialhafen an der Ostsee aus, in wenigen Jahren soll die Autobahn A20 mautpflichtige LKWs von Hamburg durch erblühende Landschaften ins polnische Stettin dieseln lassen, und dem Containerverkehr nach Riga und St. Petersburg werden gigantomane Wachstumsraten prophezeit. Das Außenhandelsvolumen zwischen Norddeutschland und den Ostsee-Anrainern wird allein bis zum Jahr 2010 auf locker 200 Milliarden Euro veranschlagt.

Und da will Hamburg nicht in der letzten Reihe stehen. Sein oberstes Ziel sei es, sagt von Beust, „die Potenziale und Interessen der Ostseeregion – und damit Hamburgs – besser zur Geltung zu bringen“, als seien diese notwendigerweise identisch. In der Konkurrenz zur dänisch-schwedischen Doppelmetropole Kopenhagen-Malmö und zu St. Petersburg müsse Hamburg die dritte Kraft sein und vor allem seine „Drehscheibenfunktion“ als gedachter Atlantik-Hafen ganz Nordost-Europas ausbauen.

Der Brückenschlag über den Fehmarn-Belt und in dessen Folge eine Schnellverbindung – gern der Transrapid – nach Stockholm sind für die Runde von Riga folglich keine Frage mehr des „Ob“, sondern nur noch des „Wann“.

Und als Beweis dafür, dass Hamburg in diesem Interessengeflecht sich keineswegs mit einer Statistenrolle begnügen muss, wird von Beust mit einer „frohen Botschaft“ zurückkehren. Nächstes Jahr, so darf er verkünden, wird er Gastgeber des BDF-Gipfels in der Hansestadt sein – auf Wachstum fest den Blick gerichtet.

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