: Eine Arena bebt
Handball vom Feinsten: Der THW Kiel besiegt Lemgo zum Bundesliga-Auftakt mit 31:26 – vor 31.000 Zuschauern im Schalker Fußballstadion
aus Gelsenkirchen ERIK EGGERS
Christian Schwarzer hatte sich auf die Bank fallen lassen, der Kreisläufer vom TBV Lemgo pumpte immer noch schwer. Dabei waren schon Minuten vergangen seit dem Abpfiff. Nun wusste der 1,97 m große Koloss nicht so recht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. „Das hat wirklich Spaß gemacht, vor solch einer Riesenkulisse zu spielen“, sagte der Europameister, denn sie hatten vor der Weltrekordzahl von 30.925 zahlenden Zuschauern in der Arena AufSchalke gespielt. Aber der Meister von 1997 und 2003 hatte seinen Auftakt zur 28. Bundesliga-Saison eben überraschend deutlich mit 26:31 gegen den THW Kiel verloren. „Dann nützt die ganze Atmosphäre nichts, denn wir wollten natürlich gewinnen“, sagte Schwarzer.
Die Manager sahen das freilich ein wenig anders: „Das war noch einmal eine andere Dimension“, hatte Uwe Schwenker (THW Kiel) schon vor dem Anpfiff anerkennend geurteilt. „Der Handball hat gewonnen“, sagte sein Kollege vom TBV, Fynn Holpert. „Was Holpert hier gemacht hat, verdient höchstes Lob“, sagte Kiels Trainer Noka Serdarusic, „ich bin froh, dass ich das vor meiner Rente noch erleben darf.“
Es war das erwartet große Ereignis, an das sich alle Zeugen erinnern werden. Die Welle lief schon vor dem Spiel durch die Arena, die Zuschauer feierten lautstark die besten Handballer der Republik. Wie sehr, das zeigte der Jubel, den die insgesamt neun Silbermedaillengewinner aus Athen bei einer Ehrung vor der Partie empfingen.
Allein rund 7.000 Zuschauer waren aus Schleswig-Holstein angereist, und mindestens 10.000 aus Ostwestfalen. Das Management des TBV Lemgo war mit dem Umzug in das Schalker Stadion ein großes unternehmerisches Risiko eingegangen, denn erst mit dem 20.000sten zahlenden Zuschauer rechnete sich diese Veranstaltung. Normalerweise sehen nur 3.700 die Begegnungen des TBV im heimischen Lipperlandhalle. „Ich bin schon die letzten Wochen nur mit einem breiten Grinsen durch die Gegend gelaufen“, sagte Holpert zufrieden, „das Wagnis hat sich gelohnt.“ Auch für die vielen Fans, die fernab von Vereinssympathie einfach nur attraktiven Handball genießen wollten. Sie kamen aus dem Rheinland, aus der Pfalz, aus Schwaben, aus Berlin und aus Hessen, „Kronau grüßt Zeitz“, hieß es auf einem Plakat aus dem Badischen, sogar aus Singen/Hohentwiel waren einige Fans gekommen.
Trotz der vielen Zuschauer und der ungewohnten Atmosphäre zeigten sich die Spieler kaum irritiert und boten Handball vom Feinsten. Beim 5:5 (9. Minute) konnte der TBV noch einmal ausgleichen. Aber dann zog der THW unaufhaltsam davon, weil Fritz seine großartige Form aus Athen konserviert hatte und auch einige Tempogegenstöße parierte. „Er hat wirklich sensationell gehalten“, lobte Serdarusic. Dennoch sorgte der klare 16:12-Vorsprung zur Pause für eine kleine Abkühlung in der vorher bebenden Arena.
Erst als Schwarzer zum 16:18 (38.) und später noch einmal Baur zum 18:22 (45.) verkürzten, kochte die Arena kurzzeitig, in deren geteiltem Innenfeld eine provisorische Tribüne 5.000 Zuschauer aufnahm. Aber die Lemgoer erlaubten sich zu viele Fehler. Spätestens beim 20:26 (52.) war die Partie entschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen