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Gefühlte Weltstadt

Die Hauptstadt Westfalens bewirbt sich in einem globalen Wettbewerb um den Titel als „Liveable Community“. Die Entscheidung fällt im Oktober

„In der Weltliga antreten zu dürfen, ist eine große Auszeichnung“

VON ULLA JASPER

Die Münsteraner glauben zwar insgeheim schon lange, dass sie in der schönsten und lebenswertesten Stadt ganz Nordrhein-Westfalens leben, doch jetzt wollen sie es auch amtlich haben – und bewerben sich deshalb um den weltweit ausgeschriebenen „LivCom Award 2004“, der Städte für ihren Einsatz für die Verbesserung der Lebensqualität auszeichnet.

Rechtzeitig zur Kommunalwahl hat Münsters amtierender Oberbürgermeister Berthold Tillmann (CDU) gestern auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass die westfälische Provinzhauptstadt mit ihren rund 280.000 Einwohnern das Finale der letzen 53 Städte erreicht hat. „In der Weltliga zum Städte-Finale um den Preis für höchste Lebensqualität antreten zu dürfen, ist eine große Auszeichnung“, so der CDU-Politiker. Schlechtes Timing kann man dem OB übrigens nicht vorwerfen. Zwar ist die Entscheidung schon seit Wochen bekannt, doch gute Nachrichten präsentiert man eben gerne mal kurz vor der Wahl.

Selbstverständlich möchte es sich der OB deshalb auch nicht nehmen lassen, seine Kommune im Oktober bei der Endausscheidung im kanadischen Niagara persönlich zu vertreten. In der „Gewichtsklasse“ zwischen 200.000 und 750.000 Einwohnern konkurriert die Westfalenmetropole nun mit so klangvollen Namen wie Bayamon, Changshu und Newcastle. „Die Konkurrenz ist hart, es wird auf jeden Fall spannend“, gibt sich Tillmann dennoch verhalten zuversichtlich.

Unter dem humanistisch klingenden Motto „With history into the future“ präsentiert sich die Stadt der Wiedertäufer und des Westfälischen Friedens in einer 32-seitigen Werbebrochure als kultur- und geschichtsträchtiger Ort, dem es gelungen sei, Vergangenheit und Zukunft miteinander zu vereinen.

Besonders stolz ist man in Münster natürlich auf die Fahrradfreundlichkeit der Stadt. 374.528 Mal schwingen sich die Münsteraner täglich aufs Fahrrad, teilt denn auch das Amt für Öffentlichkeitsarbeit stolz mit. Dass die Stadt laut einer kürzlich veröffentlichten Statistik des Kraftfahrtbundesamts den zweiten Platz aller nordrhein-westfälischen Städte bei der Zahl der Autos pro Einwohner belegt, wird da lieber verschwiegen. Stattdessen rühmt man sich mit dem größten Fahrradparkhaus Deutschlands und 263 Kilometern ausgebautem Radwegenetz.

Der Preis, der 1997 erstmals unter dem politisch leicht anstößigen Namen „Nations in Bloom“ (Nationen in Blüte) verliehen wurde, wird von der englischen Organisation International Federation of Park and Recreation Administration (IFPRA) vergeben. Die Organisation rühmt sich selbst damit, dass das Umweltschutzprogramm der Vereinten Nationen den Preis „unterstützt“. Was das genau bedeutet, erfährt man leider nicht. Aber so genau nimmt man es vielleicht auch in Münster nicht – klingt ja allemal besser, an einem Wettbewerb der UNO teilzunehmen, als an irgendeinem Preisausschreiben englischer Gartenbauer.

Im Oktober wird eine sechsköpfige Jury nun also entscheiden, ob Münster in den Kategorien Umwelt und Landschaft, Bürgerbeteiligung, Bewahrung des historischen Erbes und nachhaltige Zukunftsplanung mit der internationalen Konkurrenz mithalten kann. Ein zehnminütiger Werbefilm soll die Jury davon überzeugen, dass im Münsterland also nicht nur Parks und Gärten schöner sind, sondern dass es sich hier sogar besser leben lässt als in Newcastle oder Chengshua.

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