piwik no script img

Der Biss der letzten fünf Minuten

Alba Berlin gelingt dank eines furiosen Endspurts im ersten Heimspiel der Saison ein deutliches 87:67 gegen Gießen. Die neu formierte Mannschaft hat sich vor allem in der Offensive verstärkt, damit es auch mal wieder in der Euroleague vorangeht

von MATTI LIESKE

Es gibt zurzeit zwei Trends im Berliner Profisport. Beängstigend lange ließen die Basketballer von Alba Berlin beim gestrigen Match gegen die Baskets Oldenburg die 6.802 Zuschauern im Unklaren, welchem sie zu folgen gedenken: dem der Eisbären, die nach Höherem streben, oder dem der beiden Fußballklubs hin zum Tabellenende. Eine Niederlage im ersten Heimspiel, nachdem schon der Auftakt in Gießen knapp in die Hose gegangen war, wäre wahrhaftig nicht der Start gewesen, den sich ein Titelverteidiger wünscht.

Bis fünf Minuten vor Schluss war die Partie noch ausgeglichen. Danach schafften es die Berliner jedoch, die Entschlossenheit an den Tag zu legen, mit denen sie sich schon in den letzten Meisterschafts-Play-offs aus schwierigen Situationen befreit hatten. Plötzlich funktionierte die Abwehrarbeit, Oldenburg kam kaum noch zu Punkten, und vorn fanden die Bälle kontinuierlich ihren Weg in den Korb. Am Ende hieß es relativ komfortabel 87:67, ein peinlicher Fehlstart à la Hertha BSC war vermieden.

„Wir sind in den letzten fünf Minuten zusammengebrochen“, ärgerte sich Oldenburgs Coach Don Beck, „es war eigentlich ganz bestimmt kein 20-Punkte-Match.“ Das sah Emir Mutapcic anders. „Ich bin sehr zufrieden, dass wir mit 20 Punkten gegen ein gutes Oldenburg gewonnen haben“, sagte sichtlich erleichtert der Alba-Trainer, wollte aber keinesfalls zugeben, dass es ein besonders wichtiges Spiel für Alba gewesen sei, wie es Beck behauptet hatte: „Für uns ist jedes Spiel wichtig, unsere Pflicht ist es, immer zu gewinnen.“

Mutapcic weiß jedoch auch, wie segensreich ein guter Saisonstart für die Moral der neuformierten Mannschaft ist. Denn Alba will nicht nur den achten Meistertitel in Folge holen, sondern auch mal wieder in der Europaliga für Aufsehen sorgen, wo in den letzten beiden Jahren jeweils nach der ersten Runde Schluss war. Um nicht den Startplatz in der Euroleague einzubüßen, ist ein besseres Abschneiden diesmal unerlässlich. Dafür hat Alba bei seinen Neuverpflichtungen ein gewisses Risiko in Kauf genommen. Statt der Abwehrbollwerke Rödl, Lütcke und Lollis stehen jetzt mit dem Slowenen Marko Verginella, der gestern nicht zum Einsatz kam, dem Polen Simon Szewczyk und John Best Spieler im Kader, deren Stärken, zumindest bei den beiden Letzteren, in der Offensive liegen. Während der in die amerikanische Profiliga strebende Szewczyk noch den Beweis schuldig blieb, dass er nicht nur die Tattoos für die NBA hat, sondern auch das Format, demonstrierte vor allem Best gestern eindrucksvoll, dass er ein Scorer ist, wie er Alba letzte Saison mitunter bitterlich fehlte. 26 Punkte standen für ihn am Ende zu Buche, 21 davon aus der ersten Halbzeit. „Best und Stanojevic haben zusammen 42 Punkte gemacht“, lobte Gäste-Coach Beck vor allem Albas Frontcourt, „da können wir nicht mithalten.“

Mutapcic hörte das Lob mit Zufriedenheit, ließ aber keinen Zweifel daran, wo seine Prioritäten liegen: „Defense, das ist die Basis, von der wir profitieren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen