piwik no script img

Der Geisterflughafen Tempelhof

Obwohl das Oberverwaltungsgericht dem Flughafen Tempelhof einen vorläufigen Bestandsschutz sichert, nutzen ihn immer weniger Airlines. Senat will weiter abspecken und so das Minus verringern

VON RICHARD ROTHER

Der Flughafen Tempelhof muss nach dem Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichtes vorerst geöffnet bleiben, aber immer weniger Fluggesellschaften nutzen ihn. Gestern kündigte eine Airline ihren Wegzug an: die Schweizer Fluggesellschaft Swiss International Airlines verlegt mit Beginn des Winterflugplans ihre Abflüge nach Basel von Tempelhof nach Tegel.

Spätestens ab dem 1. November wird Tempelhof ohnehin einem Geisterflughafen gleichen. Ab dem Winterflugplan gibt es nach Angaben der Betreiber täglich nur noch fünf regelmäßige Flüge, am Wochenende sogar noch weniger. „Wir sind mit den Gesellschaften im Gespräch, auch diese Flüge zu verlagern“, sagt Rosemarie Meichsner, Sprecherin der Berliner Flughafengesellschaft (BFG).

Zu den regelmäßigen Flügen kommen noch die der kleinen Luftverkehrsunternehmen hinzu, die mit kleinem Fluggerät je nach Bedarf abheben – etwa wenn sich Wohlhabende ein Wochenende auf Helgoland gönnen. Diese kleinen Gesellschaften hatten auch gegen die geplante Schließung erfolgreich geklagt. Vor einer Woche hatte das Oberverwaltungsgericht die geplante Schließung des Flugplatzes zum 31. Oktober nach Klagen beteiligter Fluggesellschaften gestoppt. Dabei monierten die Richter allerdings nicht die Schließung, sondern die dafür gelieferte und von der Berliner Luftfahrtbehörde anerkannte Begründung. Eine Entlassung der Flughafenbetreiber aus der Betriebspflicht auf unbestimmte Zeit sei mit dem Luftverkehrsrecht nicht vereinbar, so die Richter.

Für die Flughafenbetreiber wird es nun zunächst darauf ankommen, in Tempelhof die Verluste zu minimieren. Für dieses Jahr wird ein Defizit von 16,5 Millionen Euro erwartet. Dabei gehe es um die Frage, welche Gebäude und wie viel Personal noch bereitgestellt werden müssten, um den Flugbetrieb für die „wenigen Gesellschaften“ sicherzustellen, so Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer.

Darüber hinaus könnten die Betreiber nun die endgültige Schließung Tempelhofs vorbereiten – unabhängig vom Stand des Planfeststellungsverfahren für den künftigen Alleinflughafen der Region in Schönefeld. Dagegen schießen mittlerweile nicht mehr nur die in Westberlin verankerten CDU- und FDP-Fraktionen, sondern auch ein PDS-Abgeordneter aus Köpenick. Walter Kaczmarczyk spricht sich jüngst dafür aus, Tegel und Tempelhof bis 2020 zu nutzen.

Die Kalküle sind allerdings durchsichtig: Während es den Westberliner Tempelhof-Fans ums Geschäft vor Ort und vor allem um kurze Wege zum Airport geht, möchte der Ostberliner seinen Wahlkreis vor dem Schönefelder Flugverkehr schützen. Anders gesagt: Viele Pankower, Weddinger und Neuköllner sollen weiter unter Fluglärm leiden, damit ein paar Grünauer und Müggelheimer ihre Ruhe haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen