piwik no script img

briefe an den präsidenten (7)Mr. President, ich glaube, Amerika ist anders als Ihre Politik. Vier Jahre Bush waren keine guten vier Jahre

Am 2.11. ist Präsidentschaftswahl in den USA. Bush oder Kerry? Für viele US-amerikanische Künstler ist diese Frage zur Schicksalsfrage geworden. Das Junge Theater wird vom 27.10. bis zum 3.11. unter dem Titel „mad(e) in Amerika“ in der Schwankhalle amerikanische und deutsche Künstler präsentieren, die sich mit Politik und Kultur in den USA beschäftigen. Vorab haben das Junge Theater und die taz Menschen aus Kultur und Wirtschaft gebeten, an den amtierenden, zukünftigen oder idealen US-Präsidenten einen Brief zu schreiben. Heute: Jens Eckhoff, CDU, Bremer Senator für Bau, Umwelt.

Dear Mr. President,

eins vorab: Das Land, das Sie regieren, es fasziniert mich. Auf mindestens 20 Reisen in den vergangenen 15 Jahren bin ich von Maine bis Kalifornien, von Florida bis Alaska gekommen. Ich habe bis auf zwei Bundesstaaten inzwischen alle besucht, selbst in den mittleren Westen hat es mich verschlagen – und die Faszination wirkt weiter. Es ist das Amerika der Vielfalt und Spontaneität, das Amerika der brodelnden Metropolen und der weiten Landschaften, der ethnischen und kulturellen Vielfalt und der ganz anderen Sportarten. Die Begeisterung ging vor vielen Jahren so weit, dass ich versucht habe, in meiner Stadt American Football einzuführen, eine zeitlang nicht ohne Erfolg. Es ist das offene Amerika, das auch für mich als Besucher aus dem guten alten Europa seine ganz besonderen Reize entwickelt.

Mr. President, Ihr Land ist weit weg, aber die Reise lohnt sich, immer wieder. Auf diesen Reisen habe ich ein vielschichtigeres Amerika kennen gelernt, als das Amerika, das Sie in den letzten Jahren repräsentieren. Bei all den globalen Schwierigkeiten, vor denen die Welt gemeinsam steht und die in den kommenden Jahrzehnten zu- und nicht abnehmen werden, führt der Weg, den Sie eingeschlagen haben, in die Irre. Das Rechthaben und die diskursive Enge haben weltweit die Dialogfähigkeit und Kooperationsbereitschaft abgelöst. Dies trägt entscheidend dazu bei, dass die globalen Probleme weiter von einer Lösung entfernt sind als zu Beginn Ihrer Amtszeit. Sie werden schlicht ignoriert.

Trotz aller dramatischen Warnsignale verweigern sich die USA der Zusammenarbeit beim Umwelt- und Klimaschutz. Wo der Wirbelsturm Dauergast ist, scheint die drohende Sintflut politisch irrelevant zu sein.

Entwicklungshilfe, die aktiv dazu beiträgt, für die desaströse Situation in Afrika eine Zukunftsperspektive zu gewinnen: Fehlanzeige. Sicher, die weltweite Bedrohung durch den Terrorismus hat auch die weltpolitische Agenda komplett verändert. Aber darf dies dazu führen, dass der politische Alleingang als selbstverständliches Recht einer tapferen Nation reklamiert wird? Nein: Gerade die globale Bedrohung durch den Terrorismus bedarf der weltweiten Zusammenarbeit, nicht nur mit good old Europe, sondern weit über die NATO-Staaten hinaus.

Mr. President, vier Jahre Bush waren keine guten vier Jahre. Nicht für die Welt und nicht für die USA. Ich glaube, Amerika ist anders als Ihre Politik. Und deshalb hoffe ich, dass der nächste amerikanische Präsident John Kerry heißen wird.

Ihr Jens Eckhoff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen