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christoph schultheis Fünfzehn dämliche Minuten

Nur damit das von Anfang an klar ist: Dies ist kein Text über Oliver Gehrs. Dass dieser Text hier und heute (nicht) mit dem Kollegen Gehrs anfängt, ist purer Zufall. Und hätte die Medienseite der Süddeutsche Zeitung am vergangenen Dienstag nicht über diese unglaublich brisante Angelegenheit berichtet, es wäre hier vom Gehrs keine Rede. So aber stand da oben drüber „Erregte Diskussion“, und dann stand da noch irgendwas über die gute alte Zeit, „als es ‚Sabine Christiansen‘ noch nicht gab“.

Und genau da nun kommt der Kollege Gehrs ins Spiel. Schließlich hat er früher, als es „Sabine Christiansen“ noch nicht gab, in der taz mal einen vergleichsweise bahnbrechenden Artikel veröffentlicht, dessen Bahnbruch in erster Linie darin bestand, dass er im Sonntagsprogramm von RTL 2 eine damals weitgehend unbekannte junge Frau namens Verona Feldbusch entdeckt hatte. 1997 war das, doch die Gehrs’sche Erstentdeckung der „Peep“-Moderatorin Verona F. geriet, weiß Gott, schnell in Vergessenheit. Und damit auch der dazugehörige und lapidare Hinweis, dass der Sonntag auch im Fernsehen eigentlich ein Scheißtag sei. Wörtlich schrieb Gehrs damals: „Sonntag ist auch im Fernsehen eigentlich ein Scheißtag.“

Aber vielleicht sollte man jetzt erst mal kurz erklären, worum es hier eigentlich geht. Denn eigentlich geht’s hier doch um die drei sonntäglichen ARD-Kulturmagazine „Kulturreport“, „Kulturweltspiegel“ und „Titel, Thesen, Temperamente“, die (laut o.g. SZ-Bericht) ab dem 16. November den Sendeplatz mit den „Tagesthemen“ tauschen und ergo statt um 22.45 Uhr um 23 Uhr ausgestrahlt werden sollen, was wiederum „manche der betroffenen Redakteure“ als „Genickschlag“ empfänden, weil die kulturinteressierte Zuschauerschar (bislang noch rund 1,5 Millionen) durch den Sendeplatztausch angeblich „wohl um die Hälfte auf 700.000 bis 800.000 sinken“ werde. Alles in allem also eigentlich eine Scheißdebatte – und zwar je länger man darüber nachdenkt. Selbst wenn man mal kurz vergisst, dass wir hier über gerade mal fünfzehn dämliche Programmminuten reden, um die sich die sonntägliche Ausstrahlung verzögert, sollen die Kultur-TV-Macher doch froh sein um jeden vor sich hin lüllenden Döser und Dranbleiber, der ihnen fortan gestohlen bleibt! Nein, ehrlich: Sollen sie doch stattdessen dem aufgeweckten Zuschauer umso ungenierter mit völlig kompromissbefreitem Fernsehen auf Augenhöhe begegnen! Ja, sollen sie sich doch einfach derart unentbehrlich machen, dass es sich rumspricht!

Und wenn nicht, ist’s auch wurscht: Früher, als es „Sabine Christiansen“ noch nicht gab, guckte der Gehrs schließlich statt „Kulturreport“ lieber Veronas „Peep“-Show. Ab 16. November aber können wir statt „Kulturreport“ immerhin lieber die WDR-Show „Zimmer frei!“ gucken!

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