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berliner szenen Um die Hasenheide

Der Froschkönig

Sie sind alle wieder an ihrem Platz: Die alte Frau, die ihr Haar immer wirr trägt, sitzt vor der Hasenschänke und schaut in den Tag. In der Senke, denn das ist sein Terrain, übt der Golfspieler. Und den Pfandflaschensammler kann man schon von Weitem hören, wenn er scheppernd angerollt kommt mit seinem Koffer.

Bei der Arbeit sind auch die fliegenden Händler. Zuverlässig, sieben Tage die Woche halten sie in der Hasenheide ihre mobilen Shops im Gebüsch am Wegesrand offen. Sie arbeiten in Kollektiven. Aufpassen, anbaggern, Geld zählen, die Ware liefern, all das wird arbeitsteilig erledigt. Das Unterholz ist übersät mit dunklen Plastiktüten, leeren Drogendepots in Tarnfarbe.

Am Ausgang Schillerpromenade geht ein Mann im Anzug mit einer Aktentasche unter dem Arm auf und ab. Ob er von der Arbeit kommt oder vielleicht nur inszeniert, dass das so sei, wird nicht ganz deutlich. „Spiderman und Batman und Superman!“, ruft ein kleiner Junge. Mit ausgebreiteten Armen imitiert er, zu fliegen, zu segeln. „Spiderman und Batman und Superman“, singt das Kind und passiert einen Stadtstreicher, der mit seinen Habseligkeiten auf dem Pflaster ausruht. Der Mann rafft sich auf und schultert seine Bündel und geht in Kampfsportmanier langsam weiter, wobei er bei jedem Schritt vorwärts einen Schrei aus stößt.

Supermänner, die etwas richten, könnte man in diesem Kiez durchaus einmal gebrauchen. Aber vielleicht schaffen das auch die beherzten Pioniere mit ihren (temporären) Galerien, kleinen Läden, Kneipen, Bars, die so vielversprechende Namen tragen wie beispielsweise „Der Froschkönig“. Denn: Wachgeküßt werden will dieser Kiez schon seit zehn Jahren.

GUNDA SCHWANTJE

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