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lexikon der globalisierungWas bedeutet eigentlich „Eigentum“?

Über den Begriff des Eigentums wurden seit der Aufklärung bedeutende Auseinandersetzungen geführt. Der französische Sozialist Proudhon schrieb 1840: „Eigentum ist Diebstahl.“ Gegenteilig wird in unserer heutigen Zivilrechtsordnung Eigentum als Ausschlussbefugnis gegenüber Dritten formuliert. Eigentum wird in einer Reihe genannt mit Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. Diese entgegengesetzten Sichtweisen markieren die Bandbreite der Eigentumsvorstellungen. In Artikel 14 Grundgesetz ist das Eigentum geschützt. Allerdings soll es sozialvernünftig verwendet werden. Für den Verfassungsrechtler Abendroth war das sozialpflichtige Eigentum zentrale Kategorie der Sozialstaatsidee.

Die negativen Auswirkungen einer nach wie vor eigentumsfixierten, postfordistischen Ökonomie oder globalisierten neoliberalen Ideologie sind bekannt. Der Gegensatz von gesellschaftlich hergestelltem Reichtum und privater Aneignung durch die in Privateigentum stehenden Unternehmen beinhaltet das Monopol der Arbeitsplatzangebote durch private Unternehmen. Im Zuge struktureller wirtschaftlicher Flauten lagern die privaten Unternehmen die sozialen Folgekosten der entlassenen Arbeitskräfte aus ihrem Bereich aus und bürden sie dem Staat auf. Hartz IV und der gegenwärtige Sozialabbau sind die Folgen des veralteten Systems des Privateigentums am Unternehmen.

Für die zeitgenössischen linken Theoretiker Hardt und Negri führen die ökonomischen Veränderungen von der materiellen Produktion zu immaterieller Arbeit in der modernen Computertechnologie und Medienwelt zu einer Auflösung überkommener Eigentumsstrukturen. Technologisches Wissen ist nicht mehr privat aneignungsfähig. In der materiellen Produktion können Maschinen auf einem Fabrikgelände geschützt und bewacht werden, Computerprogramme sind hingegen kopierbar.

Längst aber haben sich die Strategien privater Aneignung fremder geistiger Leistung den neuen Bedingungen angepasst. Modernes Eigentumsrecht verwandelt sich in ein ausgeklügeltes System differenzierter Verwertungs- und Nutzungsrechte. Ein auf dem Markt erscheinender Roman oder ein Song stehen zwar im Urheberrecht des Autors oder Komponisten, die wirtschaftliche Auswertung nehmen jedoch die Verlage oder die Tonträgerindustrie durch exklusive Verwertungsrechtsübertragung wahr. Für die Übertragung von Patenten, Handelsmarken, Mustern, biotechnologischen Forschungsergebnissen und Computersoftware gilt das Gleiche.

Die Widerspruchsebenen verlagern sich, von „Arbeiter–Privatunternehmer“ zu „Urheber geistigen Eigentums–großindustrieller Verwerter“. Rechtlich vollzieht sich ein Wandel vom Arbeitsrecht zum Urheber- und Verwertungsrecht. Rechtlich gesehen geht es heute darum, die Beziehung zwischen den Schöpfern immaterieller Güter zu den Konsumenten immer direkter zu gestalten, den Einfluss der privaten Aneigner zu reduzieren. Nur so kann die Vielfalt der gesellschaftlich produktiven Einfälle auch direkt gesellschaftlich genutzt werden. HEINZ DÜX

Das Lexikon erscheint jeden Montag in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat von Attac

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