: „Das ist nur ein Befriedungsbonbon“
Georg Schulze von der Bochumer Unternehmensberatung ISA Consult über eine Transfergesellschaft für die Opelaner, warum die Politik vor dem Konzern nicht in die Knie gehen muss und Polens Arbeiter auch nicht günstiger sind
taz: Ministerpräsident Steinbrück will „Gewehr bei Fuß“ stehen bei der Bildung von Transfergesellschaften für Opel-Beschäftigte. Eine gute Idee vom SPD-Landeschef?Georg Schulze: Das ist ein übliches Rezept, immer wenn es einen öffentlichen Aufruhr um Firmenpleiten gibt, kündigt die Politik Transfergesellschaften an. Sie schenkt dem Unternehmen öffentliche Mittel, um deren Beschäftigte vom Lohnzettel zu streichen. Das ändert aber nichts am Arbeitsplatzverlust: So eine Gesellschaft ist nichts anderes als ein Haufen von Leuten, die die Ex-Opelaner zielgenau weitervermitteln. Sie übernimmt im Prinzip den Job der Arbeitsagentur, nur kümmern sich hier viel mehr Leute um eine Person.
Da können sich die Opelaner doch freuen.
Die vielleicht, der Rest der Gesellschaft aber nicht. Das ist ein Nullsummenspiel, es entsteht kein einziger neuer Arbeitsplatz. Wenn viertausend Opelarbeiter woanders Arbeit finden, fehlen diese Plätze für andere Arbeitslose. Die einzigen, die kurzfristig eine neue Stelle finden, sind die Vermittler. Unterm Strich ist das kein Gewinn, sondern nur ein Befriedungsbonbon. Die Arbeitslosenquote wird trotzdem in die Höhe schnellen.
Kann die Regierung denn mehr bieten als Zückerchen?
Ja klar, die Politik müsste auf das örtliche Management und General Motors in Europa Druck ausüben. Für Opel wurden schon immer Berge versetzt, um ihnen einen netten Standort in Bochum zu bieten, sie bekamen massenhaft Subventionen, ihnen wurde mir der „Querspange“ ein Autobahnanschluss versprochen. Und jetzt wird das gehätschelte Kind sang- und klanglos aufgegeben, das ist Zeichen der Ohnmacht der Politik.
Über allem hängt ja das Damoklesschwert Polen – dort bauen die Menschen für die Hälfte des hiesigen Monatslohnes Autos zusammen.
Die Landesregierung sollte nicht jeden Beschluss aus Detroit geradezu gottgleich annehmen. Lohnkosten machen nur 16 Prozent des Autopreises aus, Opel aus Polen sind dann acht Prozent günstiger – dafür sind die Leute schlechter ausgebildet, die Reklamationsraten höher, Betriebsausfälle häufiger. In Bochum können günstig und gute Autos gebaut werden. Die Opel-Manager haben riesige Fehler gemacht, dem Image schwer geschadet. Das Land muss auf einem Standortsicherungskonzept bestehen und nicht nur die Aufräumarbeiten übernehmen.
Was können denn die Opelaner tun, wenn schon Land und Stadt vor dem Konzern auf die Knie gehen?
Sie sollten auf keinen Fall wie bei Karstadt über Nacht im Hauruckverfahren scheinbaren Lösungen zustimmen. Sie müssen ein Sanierungskonzept parat haben, Bochum zu sichern, vielleicht durch andere Arbeitszeiten, weniger tarifliche Zulagen. Dafür brauchen sie professionelle Beratung, um auf Augenhöhe mit den Managern verhandeln zu können. So etwas dauert Wochen. Eine Transfergesellschaft ist die allerletzte Möglichkeit.
INTERVIEW: ANNIKA JOERES
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