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Chillen im Bauern-Pool

Bis Halloween bietet Theo Spix‘ Bauernhof die bundesweit größte Kürbisausstellung. Auf seinem Acker „Pumpkin Island“ gibt es Cocktails und Housedisko, einen Irrgarten im Maisfeld und Strohsofas

Ein Rechteck aus Stroh, Plane drüber, Wasser rein – fertig ist der Bauernpool

AUS DORMAGEN LUTZ DEBUS

Theo Spix ist kein Bauer wie jeder andere. Auf seinem 100-Hektar-Hof nördlich von Dormagen baut er zwar auch all das an, was in dieser Region auf Feldern rum steht, Weizen, Gerste, Roggen, Rüben. Aber seine Haupteinnahmequelle sind die Menschen, die bis in den Spätherbst seine landwirtschaftlichen Nutzflächen bevölkern und seine Kürbisse bestaunen.

Begonnen hat alles vor fünf Jahren. Statt wie viele seiner Kollegen über EU, Bundesregierung und Erzeugerpreise zu schimpfen, suchte Spix neue Einnahmemöglichkeiten. Auf zunächst 2.000 Quadratmetern baute er Kürbisse an. Der Ertrag war gut, die Vermarktung schwierig. Ein Freund organisierte in jenem Jahr eine Kürbisausstellung, wissenschaftlich fundiert und mit damals 10 Mark Eintritt für ein recht exklusives Publikum bestimmt. Im nächsten Jahr übernahm Spix diese Idee, halbierte den Eintrittspreis, änderte den Charakter der Ausstellung. Direktes Erleben und Spaß für die ganze Familie umrahmten die Exposition hunderter verschiedener Kürbissorten. 2002 besuchten schon 20.000 Menschen dieses Open-Air-Museum neben dem Maisfeld. In das Maisfeld mähte Spix ein Labyrinth.

Nun schon im dritten Jahr gibt es am Rande der A 57, nahe der Abfahrt Dormagen, diese bundesweit größte Kürbisausstellung. Spix geht es aber nicht nur um eine zweifellos geschickte Vermarktung dieser zuweilen riesigen Feldfrucht. All die Spielgeräte, die für Kurzweil bei den Kurzen sorgen, sind aus Naturmaterialien. Kinder können in einem mit Maiskörnern gefüllten Pool baden, auf Stroh hüpfen, sich in Iglus aus Kürbissen verstecken. Natürlich hätten Hüpfburg, Bällchenbad und Hütten genauso gut aus Polyester und PVC sein können, Spix bevorzugt Naturmaterialien. Gerade die jungen Besucher aus Düsseldorf und Köln haben wenig Kontakt zur Natur. „Manche Kinder aus der Stadt lernen tatsächlich erst hier, dass der Acker nass wird, wenn es regnet!“

In diesem Jahr hat Spix wieder eine bauernschlaue Idee gehabt. In Anlehnung an den Sommer-Yuppie-Treff in der Landeshauptstadt, dem so genannten „Monkey-Island“, eröffnete er direkt neben seinem Sonnenblumen-Mais-Irrgarten „Pumpkin‘ Island“. Auch hier gibt es Cocktails und Leckereien. Statt Rheinufer aber hat er ein großes Rechteck aus Strohballen zu bieten. Plastikplane darüber, Wasser rein, fertig ist der Bauernpool.

Nachmittags planschen die Kinder im Wasser, buddeln im Sand. Die Eltern genießen den Herbst auf Sofas – gezimmert aus Europaletten. Manche Alternativ-Senioren mögen an Gorleben oder Wackersdorf denken. Gegen Abend wechselt dann das Publikum. Statt Salsa wird dann House gespielt, der große Sandkasten wird zum Beach-Volleyball-Feld. Am Wochenende ist manchmal erst um 5 Uhr Closing Time.

Der Agrartrubel endet wie jedes Jahr mit einer großen Halloween-Party in zwei Wochen. Danach wird alles abgebaut. Der Sand wird vom Acker gekratzt. Zurück bleibt gepflügte Scholle. Spix hält sich auch in diesem Falle an die Fruchtfolge. In jedem Jahr versetzt er seinen Publikumsmagnet um ein paar hundert Meter. So wechselt eben Getreide mit Rübe und Mensch. Warum aber ist Theo Spix anders als andere Landwirte? Vielleicht liegt dies auch an seiner Freundin Fiona Kriegeris. Statt sich mit der Tochter eines Nachbarn zwecks Zusammenlegung der Äcker anzufreunden, wählte er zur Dame seines Herzens eine erfahrene Veranstaltungsmanagerin. Die Zeiten ändern sich auch in der Provinz.

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