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„Ich bin immer noch Exotin“

Die Georgierin Marika Lapauri-Burk gründete vor fünf Jahren den Hamburger Verein Lile e.V., um die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Kaukasus zu fördern. Diese Woche lädt sie zu einer georgischen Tafel ins Metropolis, wo auch ein Dokumentarfilm von ihr gezeigt wird

Wenn nur dieser kalte Wind nicht wäre. Gnadenlos fegt er goldgelbe Blätter von den Bäumen und treibt einen trotz Sonnenschein schon nach wenigen Minuten wieder ins Warme. Selbst in ihrer geheizten Wohnung verkriecht sich Marika Lapauri-Burk noch in ihrem dicken Rollkragenpulli. Eine leichte Erkältung plagt sie. Zeit, sich richtig auszukurieren, hat sie nicht.

Termine, Termine: Seit Lapauri-Burk vor fünf Jahren die Deutsch-Kaukasische Gesellschaft Lile e.V. gründete, hat sie viel zu tun. Als Leiterin des Vereins, der die kulturellen Beziehungen zwischen dem Kaukasus und Deutschland fördert, organisiert sie unter anderem georgische Filmretrospektiven, Musikfestivals und Kulturtage. Am Donnerstagabend feiert sie außerdem Premiere als Filmemacherin: Ihre Dokumentation Montag Abend, die in Zusammenarbeit mit dem georgischen Regisseur Niko Tarielaschwili entstanden ist, wird nach der Aufführung eines weiteren georgischen Films (Kaukasisches Gastmahl von Stefan Tolz) im Metropolis gezeigt.

Bei all der Arbeit ist es kein Wunder, dass die Wohnung von Lapauri-Burk immer noch so aussieht, als wäre sie erst vor kurzem eingezogen. Seit 1992 lebt sie in Hamburg, doch in ihrem Wohnzimmer gibt es weder Tapete noch Farbe an der Wand. Sofa, Tisch und Stühle stehen wie willkürlich zusammengewürfelt in einer Ecke.

Lapauri-Burk hingegen strahlt Ruhe und Souveränität aus. Sie spricht langsam, ihre Stimme hat einen angenehmen Klang. Es passt, dass sie Musikerin ist. Als sie 1989 von Georgien nach Deutschland kam, wollte sie eigentlich bloß ihr Orgel- und Klavierstudium fortsetzen. „Aber dann habe ich schnell gemerkt, dass es hier eine totale Informationswüste gibt, was georgische Kultur und georgisches Leben angeht.“ Grund genug für Lapauri-Burk, den Lile ( Lile bedeutet Sonne auf Swanisch, einem georgischen Dialekt) e.V. zu gründen und georgisches Kulturgut – von Tafelbanketten bis zu traditioneller Musik – in Deutschland zu verbreiten.

In ihrer Dokumentation Montag Abend geht es um Menschen unterschiedlicher Herkunft, die sich wöchentlich zum gemeinsamen Musizieren in Altona treffen. Lapauri-Burk gehört selber zu der Gruppe, die vom georgischen Musiker Dato Malazonia auf dem Klavier begleitet wird. „Ich möchte einfach diese unterschiedlichen Leute zeigen, die zusammen singen wollen.“

Noch, findet Lapauri-Burk, weiß man in Deutschland wenig über Georgien. „Nun lebe ich schon 15 Jahre hier und bin immer noch Exotin. Zu Georgien fällt den meisten nur Stalin ein.“ Als politische Botschafterin versteht sich Lapauri-Burk mit ihren Projekten trotzdem nicht. Im Gegenteil: „Wenn nur noch Filme Auszeichnungen bekommen, die politisch sind, zeigt mir das, dass wir eine Krise haben. Ich mache Kunst, und Kunst ist nicht politisch.“ Maren Albertsen

Dokumentarfilmabend mit georgischer Tafel: Donnerstag, 19 Uhr, Metropolis

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