piwik no script img

MATTHIAS URBACH über DER PERFEKTE KAUFDrei Kisten und eine umwerfende Frau

Im Gedankenexperiment mag Jever schmecken. Im blinden Biertest setzen sich ganz andere Eindrücke durch

„Stell dir eine Party vor: Du willst Bier holen. Auf dem Balkon steht diese aufregende Frau, neben ihr drei Kistenstapel mit Bier: Krombacher, Jever und Aldi-Bier.“ Robert starrt mich über sein frisch gezapftes Jever an, als wolle er hier in der Bar ein Geständnis erzwingen. „Welches Bier nimmst du?“

„Hmm.“ Grübelnd pule ich das Goldpapier von meiner Pulle. „Okay, Aldi ist ein No-go“, antworte ich. Und Krombacher? Die Werbung kommt doch immer vorm Fußball und dann diese peinlichen Elferkisten. „Auch kein Krombacher“, sage ich langsam. „Also gut: Jever.“

„Siehst du!“ Robert grinst. „Keine Kompromisse, dabei schmeckt dir Jever gar nicht.“ Er hat Recht, es ist mir viel zu bitter. „Okay, Robert, du hast Recht: Beim Bier kommt es auch aufs Image an – aber mir“, ich hebe meine Flasche, „schmeckt nun mal Pilsner Urquell am besten.“

„Ja, ja, weil es das originale Pilsener Bier ist, du alter Snob“, trumpft Robert auf. „Ich wette, du kannst es im Blindtest nicht von Beck’s oder Krombacher unterscheiden.“ – „Von wegen!“ Wir wetten um drei Kisten Urquell.

„Eine gute Idee“, findet zu Hause meine Liebste. „Vielleicht hörst du dann endlich auf, dieses teure Bier zu kaufen.“ Sie stellt ein sechsköpfiges Kompetenzteam zusammen: Außer Martin (Lieblingsbier Lammsbräu) und Jörn (Beck’s) stoßen noch unsere Nachbarinnen (kein klarer Favorit) dazu.

Meine Frau wählt elf gängige Biere aus, während ich die Etiketten von elf Spreequell-Plastikflaschen abknibbele und schwarze Nummern auf die Flaschenhälse male. Als sie in der Küche die Biere umfüllt, warten wir sechs erwartungsvoll im Wohnzimmer. Schließlich trägt sie die durchsichtigen und irgendwie klinisch anmutenden Plastikflaschen samt goldgelbem Inhalt herein. Lecker sieht das nicht aus.

Nervös koste ich drei Proben. „Schroff“, „streng“, „modrig“ sind die ersten Assoziationen. Irgendwie schmeckt alles gleich – schlecht. „Übel“, schimpft Martin über seiner zweiten Probe. Den anderen geht es ähnlich. Doch langsam gewöhnen sich unsere Gaumen an das visionslose Bier. „Süffig, leicht“, urteilt Jörn über Bier 3. „Ausgewogen“, befindet Karola Bier 8. Die ersten raten Sorten, ohne sich einig zu werden – außer bei Bier 9: Fünf der sechs Tester entlarven die alkoholfreie Provokation meiner Frau.

Elf Biere sind ein bisschen viel, um den Überblick zu behalten. Wir beschließen alle Biere rauszuwerfen, die mindestens vier von uns auf Anhieb missfallen. Am schlechtesten schneidet Bier 6 ab: „Friesisch herb“ fällt bei allen durch. „Das war Jever?“ Sein Lieblingsbier, Robert kann’s nicht fassen. Ebenfalls aus dem Rennen sind Wernesgrüner („langweilig“), Marktführer Krombacher („komisch“) und Flensburger („nussig“).

In der Runde der letzten sechs werden wir wählerischer. Jeder darf nur drei Favoriten benennen. Das Ergebnis ist eindeutig: Zwei Biere vereinigen je fünf von sechs Stimmen auf sich, alle anderen abgeschlagen nur eine oder zwei. Die Sieger sind Bier 8, das meine Frau als Budweiser outet, und Bier zwei, Beck’s – welches die meisten vorzogen.

Die Schwächeren unter den genießbaren sechs sind das Berliner Prollbier Schultheiss, das Öko-Pils Lammsbräu und zu unserer Überraschung „Maternus Premium Pilsner“, das Aldi-Bier. Das Zeug gibt’s nur im Sechserpack – dafür halb so teuer wie übliche Ware. Die plumpe Plastikbuddel mit dem krausen Hals wirkt allerdings kaum appetitlicher als unsere Testbehälter. Daraus mag keiner von uns trinken.

Sein Lieblingsbier hat übrigens niemand erkannt. Ich tröste mich damit, dass zu meinen Top 3 neben Beck’s und Bud wenigstens auch Pilsner Urquell gehörte. Robert verzichtet trotzdem auf seinen Wettgewinn. Er knabbert daran, dass er blind für den „puren, frischen Pilsgeschmack“ (Beck’s) votierte, obwohl er sich für den ganz herben Typ hielt. „Und?“, frotzele ich, „welches Bier holst du vom Balkon?“ – „Natürlich Jever“, beharrt Robert und grinst wieder: „Wer schön sein will, muss leiden.“

Fazit: Fast alle haben jetzt ein neues Lieblingsbier.

Fotohinweis: MATTHIAS URBACH DER PERFEKTE KAUF Fragen zu Alkoholismus? kolumne@taz.de MORGEN: Bernhard Pötter über KINDER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen