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OFF-KINOFilme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Bekanntlich dauerten die Dreharbeiten zu Francis Ford Coppolas Vietnamkriegsfilm „Apocalypse Now“ im philippinischen Dschungel eine halbe Ewigkeit. So manche Verzögerung hatte der amerikanische Regisseur durchaus selbst verschuldet (halbherzige Vorbereitung, halbfertiges Drehbuch, Austausch des Hauptdarstellers mitten in der Produktion, keine Inspiration), für andere konnte er nichts (Herzanfall des neuen Hauptdarstellers Martin Sheen im Dschungel). Im Jahr 1979 war es schließlich einfach eine finanzielle Notwendigkeit geworden, ein Produkt zu präsentieren, das man auch verkaufen konnte. Das klappte dann ja auch recht gut, doch wirklich zufrieden war Coppola mit dem damaligen 150-Minuten-Film nie. 2001 präsentierte er deshalb seine „Redux“-Fassung, in die er viele Szenen und Handlungsstränge wieder einfügte, die seinerzeit herausgeschnitten worden waren. Da treffen Sheen und sein Begleittrupp urplötzlich im Dschungel zum Abendessen auf alte Kolonialfranzosen, die ihnen vom Indochinakrieg erzählen, zur Truppenbetreuung eingeflogene Playmates erleben den Horror des Krieges, und die finale Konfrontation zwischen Sheen und dem Renegaten Colonel Kurtz (Marlon Brando) in dessen Schreckensreich ist deutlich länger. So kommt dann auch deutlicher als zuvor die Frage auf, ob Sheen, nach allem, was er erlebt hat, nicht vielleicht ein neuer Colonel Kurtz werden könnte, während die lange Franzosen-Sequenz mit ihrer unbedrohlichen Traumhaftigkeit den Kontrast bildet zum Irrsinn des Dschungelkriegs. Ebenfalls in der Coppola-Retrospektive im Babylon zu sehen ist die Dokumentation „Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse“ über die Dreharbeiten, in der die Regisseure George Hickenlooper und Fax Bahr unter Verwendung des Materials von Eleanor Coppola über einige der bereits geschilderten Probleme berichten und damit belegen, dass Krieg und Filmemachen zumindest in logistischer Hinsicht einiges gemein haben.

Ins Arbeitermilieu führt Marcel Carnés „Le jour se lève“ (1939): François (Jean Gabin) hat den Verführer seiner Freundin erschossen und sitzt, von der Polizei belagert, irgendwo in einer schäbigen Vorstadt in seinem Zimmerchen und erinnert sich, wie es dazu kam. Poetischer Realismus nach einem Szenario von Jacques Prévert, in Filmarchitektur gegossen von Alexander Trauner, der auf das Postkarten-Paris verzichtet und mit Fabrikgebäuden, öden Mietskasernen und schäbigen Häuschen genau das richtige Maß an Trostlosigkeit verbreitet.

Eine Reihe mit Filmen des Meisterregisseurs Jean Renoir bietet derweil das Lichtblick-Kino: Auf keinen Fall verpassen sollte man den in Indien gedrehten wundervollen Farbfilm „The River“ (1951), eine Meditation über den Zyklus des Lebens, sowie die stilistisch ganz anders gelagerte Komödie „La carosse d’or“ (1952) um eine Truppe von Commedia-dell’Arte-Schauspielern, die in die Bredouille gerät, als ihr weiblicher Star (Anna Magnani) vom peruanischen Vizekönig die titelgebende goldene Karosse geschenkt bekommt.

LARS PENNING

„Apocalypse Now Redux“ (OmU) 10./13.–14. 4.; „Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse“ (OF) 11. 4. im Babylon Mitte

„Le jour se lève“ (OmU) 12. 4. im Arsenal 2

„La Carosse d’or“ (OmU) 9./14. 4., „The River“ (OmU) 13./15. 4. im Lichtblick

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