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zahl der wocheLänger leben – schon ab 69 Dollar

Seit Jahren touren Tom Burke und Björn Lomborg durch die internationalen Konferenzsäle mit einer Hauser-und-Kienzle-Nummer für Ökologen und Statistiker. Diese Woche gaben sie ihr Streitgespräch im Europaparlament zum Besten. Eingeladen hatte das Paar, das jenem nach Drehbuch streitendem Duo des ZDFs so sehr gleicht, die konservative Partei.

69 Dollar kostet es, das Leben eines Menschen um ein Jahr zu verlängern, sagt der einst grün-bewegte und nun zum nüchternen Statistiker bekehrte Däne Björn Lomborg – wenn man das Geld dafür investiert, den Gebrauch von Sicherheitsgurten im Auto gesetzlich vorzuschreiben. Emissionsmessgeräte an Gummireifenfabriken erreichten den gleichen Effekt zum Preis von 20 Milliarden Dollar.

Lomborgs Botschaft ist klar: Nicht alles, was ökologisch geboten scheint, ist auch sinnvoll – schon gar nicht nach wirtschaftlichen Kategorien. Er plädiert allerdings nicht dafür, bei Sicherheitsgurten stehen zu bleiben. Ein Jahr Lebensverlängerung durch Mammographie für Frauen über fünfzig kostet statistisch betrachtet 850 Dollar, und ein Impfprogramm gegen Lungenentzündung für Menschen über 65 ist für 2000 Dollar zu haben.

Die Veteranen der Umweltbewegung wie Paul Ehrlich oder Lester Brown hätten eine ewig wiederholte Litanei aus vier Kernbehauptungen in Gang gesetzt, sagt Lomborg: Die natürlichen Reserven gehen zur Neige. Die Menschheit wächst und kann nicht mehr ernährt werden. Die Artenvielfalt reduziert sich dramatisch. Wasser und Luft werden immer mehr verschmutzt.

Dass der Mensch und seine Medien Katastrophen eher zur Kenntnis nehmen als gute Nachrichten, wussten wir schon, bevor Lomborg uns darauf aufmerksam machte. Dass die Luftverschmutzung in London 1890 ihren Höhepunkt erreichte und seither rapide zurückgeht, dass die Weltbevölkerung ab 2200 nach UNDP-Berechnungen nicht mehr wachsen wird, dass El Niño Schäden in Höhe von 4 Milliarden Dollar und positive Effekte für 9 Milliarden Dollar erzeugt haben soll, durchbricht die von Lomborg beklagte Litanei eindrucksvoll.

Der britische Grüne Tom Burke, sein Kontrahent im Streitgespräch, bestreitet Lomborgs Fakten nicht. Seine Botschaft: Die grüne Basis ist nicht so naiv, wie Lomborg in seinen Büchern und Vorträgen behauptet. Vielmehr kämpfe der Däne um der Publicity willen gegen Vorurteile, die er selbst erfunden hat.

Diese These belegt Burke mit einem wenig überzeugenden Beispiel: Die grüne Bewegung habe zu keiner Zeit behauptet, die Energiereserven gingen bald zur Neige. Im Gegenteil: Nur weil sie zu jeder Zeit wussten, dass ausreichend vorhandene Alternativen vorhanden sind, seien die Grünen immer dafür eingetreten, die Atomkraftwerke abzuschalten. DANIELA WEINGÄRTNER

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