: Sprachrohr für Scheidungskinder
Am Kölner „Weiterbildungsinstitut Verfahrenspflegschaft“ haben die ersten 20 AbsolventInnen ihre Zertifikate erhalten. Verfahrenspfleger sollen in Scheidungsfällen die Wünsche der Kinder vertreten
Von Anne Hansen
Wenn Paare sich trennen, geht es darum, wer das Sofa bekommt, wer das Auto behalten darf und wer die Einbauküche mitnimmt. Oftmals gibt es auch noch Anderes zu verteilen: Kinder. „Die Paare streiten sich meistens schon seit Jahren“, sagt Clemens Lübbersmann, Leiter des Kölner „Weiterbildungsinstituts Verfahrenspflegschaft“. „Was das Kind will, geht dabei oft unter.“ Die Eltern, sagt der Pädagoge, hätten keinen Blick mehr dafür. Die Folge: Das Kind wird ganz einfach nicht gefragt.
Damit dieser Missstand ein Ende hat und auch die Interessen der Kinder vor Gericht vertreten werden, gibt es die Verfahrenspfleger. In Köln kommen jetzt die ersten examinierten Verfahrenspfleger zum Einsatz. Letzte Woche haben die ersten 20 AbsolventInnen ihre Zertifikate erhalten.
Anwältin für Kinder
Nach dem Kindschaftsrecht, das 1998 in Kraft getreten ist, kann sie der Richter in strittigen Fällen einsetzen. Ein Fall ist dann strittig, wenn etwa ein Elternteil das alleinige Sorgerecht beantragt. Auch wenn Kinder vernachlässigt werden und man sie aus den Familien herausnehmen muss, kommen Verfahrenspfleger zum Einsatz. Ihre Aufgabe ist es, die Sorgen und Ängste der Kinder ins Bewusstsein zu rücken, ihre Wünsche zu vertreten.
Der Begriff „Verfahrenspfleger“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Im Prinzip kann sich jeder Laie beim Gericht bewerben. Die Erfahrung zeige aber, dass nur Bewerber mit einer bestimmten Qualifikation genommen würden, so Clemens Lübbersmann. Ein paar Semester Sozialpädagogik nützten da wenig. Das Kölner „Weiterbildungsinstitut Verfahrenspflegschaft“ bildet gezielt Verfahrenspfleger aus. In 120 Unterrichtsstunden, die sich über ein Jahr verteilen, lernen die Teilnehmer in Zusammenarbeit mit der Katholischen Familienbildung Köln, wie man auf die Kinder zugeht, ihr Vertrauen gewinnt und sie vor Gericht vertritt. Es gehe nicht darum, in der Familie zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln. Die Verfahrenspfleger seien ausschließlich für das Kind da, so Lübbersmann.
Sie klären etwa, ob das Kind eigentlich lieber beim Vater bleiben möchte, sich aber nicht traut, es der Mutter zu sagen. Sie schreiben Stellungnahmen zu den Wünschen der Kinder, die vor Gericht vorgelegt werden. Sie sind bei Anhörungen dabei und betreuen die Kinder auch noch nach der Trennung. Lübbersmann: „Früher saßen Kinder unwissend auf den dunklen Gängen der Gerichte und wussten nicht, was mit ihnen geschieht. Heute gibt es dafür jemanden, der es ihnen erklärt.“
Eine von ihnen ist Claudia Berenfänger. Die Psychologin ließ sich in diesem Jahr in Köln zur Verfahrenspflegerin ausbilden. Und das, obwohl sie in der Praxis bereits seit 1999 von Richtern als „Anwältin für Kinder“ eingesetzt wird. „Irgendwie war es bisher immer ein Rumdoktern für mich“, sagt die 36-Jährige. „Nach meiner Ausbildung weiß ich jetzt genau, welche Rechte ich als Verfahrenspflegerin habe und wie ich noch besser Sprachrohr für das Kind sein kann.“
In den nächsten Tagen wird sie sich erstmals bei Familienrichtern in Köln bewerben. „Es ist von Gericht zu Gericht verschieden, ob Verfahrenspfleger zum Einsatz kommen. Manche Richter wissen, dass es das ganze Verfahren erleichtern könnte, und setzen viele ein“, sagt sie, fügt aber leicht resigniert hinzu: „Manche wissen aber auch gar nicht, dass es welche gibt.“
Hilfe oder Belastung?
Dass nicht immer Verfahrenspfleger eingesetzt würden, liege auch daran, dass diese nicht grundsätzlich eine Erleichterung seien, sagt Renate Blum-Maurice vom Kinderschutzbund Köln. In manchen Fällen würde ein Verfahrenspfleger den Prozess noch verkomplizieren. „Wenn das Kind zum Beispiel jemanden in der Familie hat, dem es sich anvertrauen kann, ist ein Verfahrenspfleger überflüssig. Für das Kind wäre er eher eine Belastung, ganz nach dem Motto: Noch eine Person, die alles wissen will“, so Blum-Maurice. Der Richter müsse entscheiden, ob der Verfahrenspfleger eine Belastung oder eine Hilfe darstellen würde. „In einigen Fällen ist der Anwalt der Kinder aber unentbehrlich“, sagt die Leiterin des Kinderschutzbundes. „Etwa wenn die Gefahr besteht, dass das Kind übersehen wird.“
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