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kommentarDie EU-Verfassung allein macht Europa noch nicht handlungsfähig

Die historische Unterzeichnung der Europäischen Verfassung, so heißt es derzeit allerorten, werde von der Krise um die EU-Kommission überschattet. Doch das ist Unsinn. Denn die neue Verfassung wird die Politik der EU auch dann noch prägen, wenn sich kein Mensch mehr an die Barroso-Krise erinnern wird.

Interessanter ist daher die Frage, ob mit der neuen Verfassung ein Machtkampf hätte verhindert werden können, wie er in der letzten Woche zwischen den europäischen Institutionen tobte – die Frage also, ob die neue Verfassung die EU handlungsfähiger macht. Die Antwort lautet leider: Nein. Aber: Auch eine bessere Verfassung hätte dies nicht leisten können.

Denn einerseits regelt die neue Verfassung besser als alle bisherigen Verträge, wer in der EU was zu sagen hat. Der Kommissionspräsident etwa wird künftig stärker von den Stimmen der EU-Bürger abhängig sein als von nationalen Regierungen. Mit zweitklassigen Kommissionskandidaten, mit denen sich Barroso jetzt herumschlägt, muss sich sein Nachfolger nicht länger abspeisen lassen.

Andererseits aber kann die Verfassung das grundsätzliche Problem der EU nicht lösen: die wachsenden Gegensätze in einer Union, die bald 30 Mitglieder haben wird. Dabei ist nicht allein die jüngste Osterweiterung für Interessenkonflikte verantwortlich. Mindestens ebenso wichtig ist die anhaltende wirtschaftliche Stagnation. Sie lässt die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten, eigene Interessen zugunsten europäischer aufzugeben, immer weiter sinken. Zwar kann gemäß der neuen Verfassung ein einzelner Staat aus nationalem Egoismus heraus die Fortentwicklung der EU nicht länger blockieren, denn in immer mehr Bereichen wird bald mit Mehrheiten entschieden werden. Aber auch diese Mehrheiten müssen erst gefunden werden.

Dafür brauchten die 25 Regierungen einen Vermittler. Doch der ist nicht in Sicht. Das deutsch-französische Duo ist nach zahlreichen Alleingängen diskreditiert. Es gibt – vielleicht mit Ausnahme von Jean-Claude Juncker in Luxemburg – heute in keinem der EU-Staaten einen Regierungs- oder Staatschef, der die Europapolitik zur absoluten Priorität erhoben hat. Und selbst Juncker blieb lieber zu Hause im überschaubaren Kleinstaat, als den Posten des EU-Kommissionspräsidenten anzunehmen.

Hierin besteht die eigentliche Krise: Europa hat zwar nun eine Verfassung. Gebraucht aber würden europäische Politiker.

SABINE HERRE

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