: Nach Schill kippt jetzt der Admiral
Es ist nur noch eine Frage von Tagen, dass der Hamburger Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) sein Amt verliert. Der ehemalige Marineoffizier bekam das Defizit bei den Kindertagesstätten nicht in den Griff. Heute berät die FDP – über einen Nachfolger?
aus Hamburg SVEN-MICHAEL VEIT
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat einfach kein Glück mit seinen Koalitionspartnern. Seinen Vize Ronald Schill warf er vor drei Monaten eigenhändig aus dem Senat, als dieser ihn mit angeblichen Enthüllungen aus seinem Intimleben erpressen wollte. Jetzt wackelt auch die Galionsfigur der kleinsten Koalitionspartei FDP: Bildungssenator Rudolf Lange, einziger FDP-Minister im Hamburger Senat, droht binnen der nächsten zehn Tage wahlweise der Rücktritt, der Rausschmiss oder die Abwahl im Landesparlament.
Der 62-jährige Konteradmiral a. D. weigerte sich noch am Freitag beharrlich, die Brücke zu verlassen: „Ich lasse mich nicht vom ersten Sturm wegpusten.“ Zugleich ließ Lange durchblicken, was er unter einem für Militärs so wichtigen ehrenhaften Abschied versteht: „Ich erwarte ein klärendes Wort des Regierungschefs.“ Der aber ließ durchsickern, dass „die Entscheidung über eine Auswechselung des Senators bei der FDP liegt“. Und mit dieser Verantwortung tun die Freidemokraten sich schwer – nicht weil sie Lange so schätzen, sondern mangels Alternative.
Der als beratungsresistent geltende Bildungssenator ist verantwortlich für immer neue Defizite im Etat der Kindertagesstätten. Etwa 40 Millionen Euro braucht er noch in diesem Jahr, die Prognosen für die Folgejahre liegen in ähnlicher Höhe. Ein „wettbewerbsorientiertes“ Gutscheinsystem haben Lange und seine Freidemokraten zum 1. August durchgesetzt – und damit die gesamte Koalition fulminant in die Krise geritten.
Ebenso wie die Schill-Partei liegen die Hamburger Freidemokraten in Meinungsumfragen an oder unter der Fünfprozenthürde. Der CDU drohen damit die Partner für eine zweite Regierungsperiode wegzusterben. Ohne Lösung in der Kita-Frage ist ein erneuter Wahlsieg der Koalition 2005 undenkbar geworden. Seit heute läuft ein Volksbegehren gegen das Gutscheinsystem an – in der jetzigen Situation ein Selbstläufer, wie auch die Koalition einräumt. So verkündete Ole von Beust nach einem „frostigen“ Krisengipfel am vorigen Montag die faktische Entmachtung des FDP-Senators: Eine überbehördliche „Lenkungsgruppe“ wurde eingesetzt, die retten soll, was noch zu retten ist.
Seitdem ist Lange ein Senator auf Abruf. Öffentlich wird über Nachfolger debattiert, der Vorsitzende der Schill-Fraktion, Norbert Frühauf, fordert unverhohlen „Klarheit in den nächsten Tagen“, die FDP hetzt von einer Krisensitzung zu nächsten. Heute Vormittag tagt das Präsidium, zwei Tage später der Vorstand der Partei. Am Mittwoch nächster Woche wird in der Bürgerschaft über einen SPD-Antrag auf Entlassung Langes abgestimmt. Vier Abweichler aus den eigenen Reihen reichen, dann wäre der Admiral unehrenhaft entlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen