WÜRDE DIE WELT ÜBER DEN US-PRÄSIDENTEN ABSTIMMEN, KERRY LÄGE VORN: Wer die Wahl hat
Der Gedanke ist bestechend. Wenn der Ausgang der US-Wahlen so entscheidend ist für die restliche Welt – warum wählt sie dann nicht einfach mit? Es ist kein Zufall, dass sich dieses Gedankenspiel vor allem in arabischen Ländern großer Beliebtheit erfreut. Schließlich sind sie in besonderem Maße von amerikanischer Außenpolitik betroffen.
Ein Kolumnist der ägyptischen Tageszeitung Al-Ahram hat diese Idee jüngst aufgeworfen, und auch der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun hat den Vorschlag ganz ernsthaft erwogen: Zumindest symbolisch sollte die Welt doch zu den Urnen schreiten und ihr Votum über den nächsten US-Präsidenten abgeben. Und schon hat ein US-Meinungsforschungsinstitut ermittelt, welches Ergebnis dabei herauskommen würde. John Kerry läge in 31 von 35 untersuchten Ländern vorn, und George W. Bush könnte nur auf den Philippinen, in Polen, Thailand und Nigeria mit seiner Wiederwahl rechnen.
Aber der Gedanke lässt sich weiterspinnen. Wie wäre es denn, wenn andere Länder mit über die Regierungen jener Staaten entscheiden könnten, deren Außenpolitik ihnen nicht behagt? Wäre es nicht ein enormer Beitrag zum Weltfrieden, wenn die Israelis über den nächsten Präsidenten von, sagen wir einmal, Ägypten mit entscheiden könnten? Und wenn die Ägypter dafür beim nächsten israelischen Regierungschef ein Wörtchen mitreden könnten? Die Idee hat ihre Tücken. Zumal: Dürften sie tatsächlich entscheiden, würden die meisten Deutschen bei den US-Präsidentschaftswahlen wohl lieber für Hillary Clinton stimmen als für den eher farblosen John Kerry, und nicht nur viele Österreicher würden sich aller Voraussicht nach für Arnold Schwarzenegger aussprechen. Und wer weiß, wie zufrieden die US-Amerikaner wohl mit Gerhard Schröder wären?
Wir werden es nie erfahren. Aber dass ihre Stimme im US-Wahlkampf nicht zählt, das haben die Ägypter und die Deutschen mit den meisten US-Amerikanern gemein. Nur wer in einem der elf „Swing States“ mit ihren ungewissen Mehrheiten für Demokraten oder Republikaner wohnt, hat eine ernsthafte Chancen, über den nächsten US-Präsidenten zu entscheiden. DANIEL BAX
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen