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Integration wirksamer als Haft

Seit 50 Jahren arbeitet die Kölner Bewährungshilfe für die Resozialisierung verurteilter Straftäter. Aus Sicht der Kölner Justiz hat sich die Institution bewährt. Auch ist ein Klient billiger als ein Knacki

Von Dirk Eckert

Mit seinen 17 Jahren hat Peter schon eine ganz beachtliche Karriere hinter sich: Mehrfach wegen Diebstahls verhaftet, müsste er eigentlich eine Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten antreten. Doch die Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Zwei Jahre hat Peter jetzt Zeit, sich einen Straferlass zu verdienen. Dazu bekommt er einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt, der versucht, Peter, der weder Schulabschluss noch Berufsausbildung hat, eine Arbeit zu verschaffen, später vielleicht sogar einen Ausbildungsplatz. Klappt das alles, ist Peters Ganovenkarriere vielleicht ein für alle Mal beendet. Ein gelungener Fall von Reintegration.

Fälle wie den von Peter hat die Bewährungshilfe Köln täglich. Vor 50 Jahren begannen in Köln die ersten zwei Bewährungshelfer mit ihrer Arbeit, direkt nachdem die Bewährung ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden war. Möglich wurde das durch die „Überwindung des Nationalsozialismus und der für autoritäre Gesellschaften typischen Vorstellung, kriminelles Verhalten sei im Wesentlichen biologisch bedingt und deshalb durch Sozialarbeit kaum beeinflussbar“, skizziert Wolfgang Heidemann, der Vorsitzende des Fördervereins Bewährungshilfe Köln, die historischen Umstände.

Aus Sicht der Kölner Justiz hat sich die Strafrechtsreform bewährt: In zwei von drei Fällen gelingt die Bewährung. „Gesellschaftspolitisch unentbehrlich“, nennt Helmut Zerbes, der Präsident des Landgerichts Köln, deshalb die Bewährungshilfe, die seit 1980 ihren Sitz in der Apostelnstraße hat und mit 42 Bewährungshelfern derzeit rund 2.800 Klienten betreut.

Wenn straffällig Gewordene resozialisiert werden, dann sei das „die beste Prävention“, sagt Ulrich Fiedler, der Koordinator der Bewährungshilfe beim Landgericht Köln, zu dem die Hilfe seit 1956 gehört. Fiedler kennt die gängigen Vorurteile über Bewährung. „Der hat ja nur Bewährung bekommen“, heißt es oft – und fälschlicherweise, wie Fiedler betont: Bewährung sei kein Freispruch, sondern mit Arbeit verbunden und dauere oft länger als die Strafe.

Wenn etwa ein Jugendlicher im Rahmen seiner Bewährung mit der alten Dame konfrontiert werde, der er die Handtasche geklaut hat, dann habe das oft eine „nachhaltigere“ Wirkung als eine Haftstrafe, nennt Fiedler ein Beispiel. Grundsätzlich kann Bewährung, ob anstelle von Haft oder im Zuge einer vorzeitigen Entlassung angeordnet, mit zahlreichen Auflagen verbunden sein, deren Einhaltung der Bewährungshelfer auch kontrolliert. Gleichzeitig leistet er den Klienten aber eben auch Hilfe bei der Integration in die Gesellschaft, etwa bei Wohnungs- und Arbeitssuche. Denn: „Desintegration begünstigt Delinquenz, Integration reduziert Delinquenz“, so das Motto der Bewährungshelfer.

Nicht zuletzt kommt Bewährungshilfe den Steuerzahlern zugute. Im Jahr 2003 kostete ein Klient in Nordrhein-Westfalen pro Tag im Schnitt 2,5 Euro, ein Strafgefangener 87 Euro. In Köln wird diese Finanzierung durch das Land seit 1958 durch einen Förderverein ergänzt, der zum Beispiel in Sülz ein Wohnheim für Strafentlassene betreibt und Einzelprojekte fördert, darunter auch Segeltörns. Letztere förderten die Disziplin, die Bewährungshelfer hätten damit „keine schlechten Erfahrungen gemacht“, betont Heidemann.

Vom Wohnungsamt der Stadt Köln bekommen die Bewährungshelfer hingegen weniger Unterstützung: Hätten Haftentlassene früher vom Amt Wohnraum zugewiesen bekommen, so würde ihnen heute nur eine Liste mit Wohnungsgesellschaften „in die Hand gedrückt“, klagt Fiedler. „Die Stadt Köln hat sich leider aus der Versorgung zurückgezogen.“

Eine Absage erteilt Fiedler Überlegungen, die Bewährungshilfe zu privatisieren, wie es gerade in Baden-Württemberg in zwei Pilotprojekten getestet wird. Dass Private die Bewährungshilfe besser praktizieren könnten, sei eine „kühne, durch nichts bewiesene Behauptung“, kritisiert er. Kostengünstiger sei das nur, wenn die Arbeit in hohem Maße ehrenamtlich statt von Fachkräften gemacht werde. Dabei gehe aber die Qualität verloren. „Es gibt ja auch keinen ehrenamtlichen Bäcker“, argumentiert er. Doch da beruhigt Landgerichtspräsident Zerbes: Es gebe derzeit in Nordrhein-Westfalen keine konkreten Überlegungen, die Bewährungshilfe umzustrukturieren.

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