Wochenübersicht: Bühne: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Vielleicht leben wir ja in einem zweiten Rokoko. Aus Übermüdung an unserer Zivilisation und ihren hoch dosierten Oberflächenreizen flüchten wir uns in immer radikalere Sehnsüchte nach dem Wahren, Schönen und Guten, dem das Theater in seiner herkömmlichen Form oft nur noch bedingt nachkommen kann. Auf dem Weg zu neuen Formaten verlagert deshalb inzwischen auch das Theater Aufführungen ins richtige Leben, zum Beispiel Privatwohnungen, oder lässt Leute auf der Bühne einfach sich selber spielen. Ein internationales Theaterfestival mit angedocktem Symposion versucht ab Freitag im HAU, sich mit der Suche nach neuer Wirklichkeit auf dem Theater etwas näher zu befassen. Theatertheoretiker und -praktiker aus Europa und Kanada stellen Thesen und Projekte vor, mit denen sie dem Leben theatralisch auf den Leib gerückt sind. Den Titel „Simple Life“ hat sich das Reality-Theater-Festival von einer Fernsehshow geliehen, in der die Millionenerbin Paris Hilton als Marie Antoinette des 21. Jahrhunderts in Stilettos und teuren Handtaschen durch die amerikanische Provinz gezogen ist. Programm-Highlight des Festivals ist das Gastspiel des Neuen Rigaer Theaters mit zwei Inszenierungen von Alvis Hermanis: „Long Life“ und „By Gorky“. Die Sophiehsæle bieten sich seit vergangenem Wochenende dem Theaternachwuchs als Plattform an. „Freischwimmer“ heißt das kleine Festival und Themenschwerpunkt der sechs Produktionen ist das heiß gehasste Amerika. Ab Freitag beginnt auch für P14, das Jugendtheater der Volksbühne, endlich die Wintersaison, zum Auftakt noch einmal mit der Doppelproduktion „Feuer Wasser Sturm & Wie Fische im Sand“, und heute Abend sinkt der Volkspalast wieder in den Schlaf der Geschichte. Vorher wird zur Musik der St. Petersburger Kultband Leningrad aber noch mal richtig abgetanzt.
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