: Intrigantenstadl – Berlin oder Hannover?
Der SPD-Streit geht weiter. Inzwischen geht es um Stimmzettel, die vorsorglich für eine Wahlniederlage von Olaf Scholz vorbereitet worden waren. Schröder-Opponent Sigmar Gabriel enttäuscht über taktische Spielchen der Genossen in Berlin
AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES
Dem SPD-Generalsekretär Olaf Scholz fehlt offenbar nicht nur der volle Rückhalt der SPD, sondern auch der seines Parteiapparats. Zumindest auf dem Papier hatte sich die Parteizentrale auf ein Scheitern von Scholz vorbereitet, der vor einer Woche in Bochum knapp im Amt bestätigt wurde. Laut Tagesspiegel waren zum Parteitag vorsorglich Wahlzettel mit dem Namen „Sigmar Gabriel“ entworfen worden. SPD-Sprecher Bernd Neuendorf bestätigte dies gegenüber der taz.
Vor jedem Parteitag fänden „routinemäßige Besprechungen“ statt, die sich mit eventuellen weiteren Wahlgängen befassten. Im Rahmen dieser strategischen Vorbereitungen habe ein „unbedachter Mitarbeiter der unteren Ebene“ einen Stimmzettel mit den Namen Gabriel und Scholz angefertigt. Der Entwurf sei sofort „aus dem Verkehr gezogen“ worden. Neuendorf vermochte nicht zu sagen, warum die Alternative Scholz/Gabriel favorisiert wurde.
Von einem anderen Parteiposten wird sich Olaf Scholz freiwillig zurückziehen. Er will bei der heutigen Sitzung des Hamburger SPD-Vorstands, so sickerte es gestern aus diversen Quellen durch, sein Amt als Landesvorsitzender zur Verfügung stellen. Scholz werde im Mai nicht mehr für den SPD-Vorsitz kandidieren, heißt es. Er wolle sich auf seine Arbeit als Generalsekretär der SPD konzentrieren.
Der niedersächsische SPD-Fraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel wies indes jede Verantwortung für die Wahlzettel zurück. „Chef der Partei-Druckerei bin ich sicher nicht“, sagte er. Gabriel sagte, er ziehe durch seine offene, direkte Art offenbar „die Aggressionen derjenigen auf sich, die eigene Fehler zu verschleiern haben“. Der korpulente Niedersachse schimpfte auf den Berliner „Intrigantenstadl“.
Es war bekanntlich Bundeskanzler Schröder selbst, der schon in Bochum eine Art niedersächsische Verschwörung in die Welt setzte. „Euch mache ich fertig!“, drohte er zu später Stunde dem SPD-Landesvorsitzenden Wolfgang Jüttner – nachdem der Parteitag zuvor, ganz in seinem Sinne, nicht ihn als Parteivorsitzenden, sondern nur den Generalsekretär für die desolate Lage der SPD abgestraft hatte.
SPD-Landeschef Jüttner hat die Anwürfe des Kanzlers bis heute nicht kommentiert. „Harte Worte nach 22 Uhr unterliegen der Verschwiegenheitspflicht“, sagte er nach dem Kleinen Landesparteitag der Niedersachsen-SPD. Jüttner lies sich anmerken, dass er sich von Schröder ungerecht behandelt fühlte. Schließlich ist er „seit 32 Jahren“, seit gemeinsamen Juso-Zeiten, getreuer Weggefährte des Kanzlers und hat dabei manche Demütigung geschluckt.
Der Kanzler sei verständlicherweise verärgert, dass es auch aus Niedersachsen Stimmen gegen Scholz gegeben habe, meinte Gabriel. Auch der Kanzler sei aber nicht so dumm zu glauben, das die relativ kleine Gruppe der niedersächsischen Delegierten schuld am schlechten Abschneiden des Generalsekretärs sei.
Auf jeden Fall hat sich die Loyalität der niedersächsischen Sozialdemokraten gegenüber dem Kanzler durch das mehr bundespolitisch verschuldete SPD-Desaster bei der Landtagswahl im Februar gelockert. Der zweitgrößte SPD-Bezirk des Bundeslandes, der Bezirk Weser-Ems, hatte schon vor dem Parteitag offen Widerstand gegen Olaf Scholz angekündigt. Dem jungen Vorsitzenden des Bezirkes, Garrelt Duin, werden Ambitionen auf die niedersächsische SPD-Spitzenkandidatur des Jahres 2008 nachgesagt, wofür Gabriel allerdings zunächst einen neuen, besseren Job haben müsste.
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