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Die Säulen der Macht

Quereinsteigern aus der Filmbranche mangelt es oft an theoretischen Grundlagen. Ein in Berlin einzigartiges Angebot, von der Volkshochschule Mitte, schafft hier Abhilfe. Drehplan und Kalkulation sind das A und O im Lehrplan – wie in der Produktion

VON ULRIKE SCHATTENMANN

Die Schauplätze sind klar, das Team steht, jetzt geht es nur noch um eines: Geld. Wer bekommt wie viel? Die Gagen der Stars stehen immerhin fest: Die beiden „Tatort“-Kommissare Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl erhalten ein vierstelliges festes Tageshonorar, da wird nicht mehr verhandelt. Aber der Rest? Nebenrollen, Statisten, Handwerker, Elektriker, Caterer, die Garderobenfrau – alle kosten Geld.

Einen Film komplett durchzukalkulieren ist anspruchsvolle Arbeit. Eine Woche braucht der Profi dafür; beim Produktionsmanagement-Lehrgang am Institut für Schauspiel, Film- und Fernsehberufe (iSFF) der Volkshochschule Mitte sind für das Kapitel „Drehplan, Kalkulation, Verträge“ gerade mal zwei Tage angesetzt. Die Zeit ist knapp: In nur acht Wochen werden die Teilnehmer mit den fünf Phasen einer Filmproduktion vertraut gemacht: Stoff- und Projektentwicklung, Dreharbeiten, Postproduktion, Vertrieb. Wie entsteht ein Drehbuch? Wo sitzen die Förderanstalten? Was tun, wenn das Geld ausgeht? „Es geht um den großen Überblick und entsprechende theoretische Grundlagen“, erklärt Annette Koschmieder, Regieassistentin, Drehbuchautorin und Leiterin des Kurses. Denn genau das fehlt vielen im Filmbusiness. Im kreativen Bereich gibt es zwar die klassischen Ausbildungswege: Wer als Berufsziel Schauspieler, Regisseur oder Drehbuchautor hat, bewirbt sich an Filmhoch- oder Schauspielschulen. Aber wie wird man Herstellungsleiter, Aufnahmeleiter oder Producer? „Die meisten rutschen „einfach so“ in die Branche hinein, bleiben hängen, arbeiten sich hoch“, sagt Koschmieder.

Genau an solche Quereinsteiger wendet sich das Angebot der Volkshochschule Mitte. Bis 2003 konnten sich hier ausschließlich Schauspieler weiterbilden, mit speziellen Lehrgängen zum Synchronsprecher etwa. Seit diesem Jahr werden zusätzlich andere Berufsgruppen auf Film- und Fernsehberufe vorbereitet. Das ist auch dringend notwendig, denn der Branche fehlt es an Professionalisierung. Gerade im Bereich Medienmanagement „arbeiten viele Leute, die zu wenig wissen“, wie es Joachim von Vietinghoff auf den Punkt bringt. Er ist einer der vielen renommierten Fachkräfte, die das iSFF als Dozenten gewinnen konnte.

Der Produzent ist ein alter Hase im Filmgeschäft. Über fünfzig deutsche und internationale Kino und Fernsehfilme hat er im Laufe seines Lebens hergestellt, darunter „Peter David“ von Peter Lilienthal, der mit einem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, und „Dr. Knock“ mit dem Regisseur Dominik Graf. Auch den Münchner „Tatort“ „Ein mörderisches Märchen“, der 2001 ausgestrahlt wurde, hat er produziert. Darüber zerbrechen sich jetzt seine Schüler die Köpfe. Anhand des Vorbildes können sie am Ende ihre Kalkulation mit den echten Zahlen vergleichen und sehen, inwiefern sie richtig oder ganz danebenlagen.

Vorerst jedoch wird noch getüftelt und gefeilt. Gruppe eins kommt mit dem Budget nicht aus. Dieses Problem kennt von Vietinghoff gut. Hier kann ein guter Produktionsleiter das beweisen, was der Dozent „logistische Kreativität“ nennt: Qualität zu liefern und gleichzeitig die Kosten gering halten. Denn jeder Drehtag kostet viel Geld; es gilt also, die einzelnen Schauplätze effektiv zu nutzen und die Schauspieler so wenige Tage wie möglich arbeiten zu lassen. Auf der anderen Seite brauchen Darsteller auch Zeit, um ihre Rolle entfalten zu können. „Das Drehbuch chronologisch zu verfilmen wäre am besten, scheitert aber an den ökonomischen Notwendigkeiten“, erklärt von Vietinghoff. Die Kalkulation ist deswegen auch abhängig vom Drehplan. Der für „Ein mörderisches Märchen“ ist ein meterlanges Papiermonster, jede Szene ist dort mit allen wichtigen Einzelheiten festgehalten. Bunte Reiter kennzeichnen Innen-, Außen-, Tag- oder Nachtdreh. „Drehplan und Kalkulation sind das A und O jeder Produktion“ sagt von Vietinghoff. „Damit hält man die Säulen der Macht in der Hand.“

Daran geschnuppert haben bereits die meisten der Lehrgangsteilnehmer. Elvis Saratlija zum Beispiel ist bei der RTL-Soap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ als Produktionsfahrer eingestiegen, hat sich bis zum Aufnahmeleiter am Set hochgearbeitet, und war für Skript und Continuity zuständig – eine Karriere wie aus dem Bilderbuch. „Es war eine gute, eine schnelle Schule“ sagt er, „aber ich will weg von der Soap-Produktion, hin zum Film. Dazu muss ich aber erst verstehen, wie ein Film funktioniert.“

Unsicherheiten und Berührungsängste abbauen, das ist auch ein Ziel der Lehrgänge der iSSF. Zwar hält sich in der Öffentlichkeit hartnäckig der Eindruck, Film- und Fernsehschaffende seien allesamt selbstverliebte Egozentriker mit überzogenem Selbstbewusstsein. Doch die Wirklichkeit, da sind sich von Vietinghoff und Koschmieder einig, sieht anders aus: „Es ist eine ganz harte Branche“ sagt die Dozentin. „Ganz schnell muss man nach einem Projekt wieder ganz von vorn anfangen.“ Deswegen schließt der Lehrgang auch mit einem Bewerbungstraining ab, zeigt Perspektiven für einen Neueinstieg auf. Nicht zuletzt auch durch die guten Kontakte, die man im Laufe der Weiterbildung gewonnen hat. Der nächste „Tatort“ kommt bestimmt – vielleicht dann mit Elvis in der Produktion.

Institut für Schauspiel, Film- und Fernsehberufe an der Volkshochschule Mitte von Berlin, Linienstraße 162, 10115 Berlin, Tel. 40 00 58 42, www.isff-berlin.de

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