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silke burmesterGuten Tag, meine Damen und Herren

Wie bunt darf die „Tagesschau“ sein? Und warum wird sie nicht gleich von der „Bunte“-Chefin und „Bunte-TV“-Moderatorin Riekel moderiert?

Patricia Riekel hat alle verhext. Die Rehkuh aus der Bunte-Redaktion hat es nicht nur geschafft, mit „Bunte-TV“ ein total journalismusfreies Magazin in der ARD zu platzieren, sondern dank ihres trendsicheren Windfangs die ganze Gesellschaft in ein promisüchtigen, klatschbereiten Mob umzumünzen. Nun ist Patricia Riekel nicht schuld, wenn im Privatradio Gabriela Sabatinis neuer Duft eine Meldung wert ist. Dieses eigene Verständnis von Nachrichten haben die Privaten sehr schnell nach ihrer Gründung entwickelt. Aber die Frau, die in ihrer ARD-Sendung von Barbara Becker berichtet, dass sie in einem 600-qm-Appartement auf einer kleinen Insel lebt, mit Bill Clinton und Luciano Pavarotti als Nachbarn, und diese Ausführung mit dem Satz vervollkommnet, dass Barbara Becker „ein fast luxuriöses Leben“ führe, ist mehr als ein schädlicher Eindringling im mühevoll kultivierten Journalismusgarten.

Folgt man Hans Leyendeckers in der Süddeutschen dargelegten Ausführungen zu den internen Debatten der ARD um „Bunte TV“, so darf man sicher sein, dass es Menschen innerhalb der Sendeanstalt gibt, die den Schritt, eine solch einseitige und kritiklose Sendung im Öffentlich-Rechtlichen zu platzieren, als Flurschaden begreifen. Doch während im großen Kreis über die drohende Boulevardisierung der ARD diskutiert wird, hat sich das Rotwild längst von München aus in die Hamburger Redaktionsräume der Tagesschau gefressen. War die Scheidung Lady Dianas oder die Boris Beckers noch eine Neuigkeit, an der sich die Tagesschau-Geister schieden, ob hier ein übergeordnetes Interesse vorliegt, das eine Vermeldung rechtfertigen würde, wird nun die vom Bunte-Verlag Burda initiierte Bambi-Verleihung zum Tagesschau-adäquaten Ereignis. Und als wäre man „Bambi-News-TV“, scheut man vor einer Live-Schaltung an den Veranstaltungsort nicht zurück, in der Preisträger Jan Ullrich mitteilt, wie er sich fühlt.

Es ist ein Kreuz mit den Rehen: Keiner kann sich ihrem Bann entziehen, wenn sie so dastehen und einen anschauen mit ihren großen Bambi-Augen. Sie versprechen einen Moment lang heile Welt und das ist genau, was die Betrachter wollen. Doch sind sie erst einmal da, ist nichts vor ihrer Gefräßigkeit sicher. Da braucht es schon einen entschlossenen Jäger.

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