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Belegschaft kämpft gegen Gewerkschaft

Die Beschäftigten von drei kommunalen Krankenhäusern im Allgäu wehren sich gegen eine drohende Privatisierung. Ausgerechnet die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di kommt ihnen in die Quere. Heute steht ein Krisengipfel an

IMMENSTADT taz ■ Während in vielen Firmen derzeit das Schlagwort vom Gehaltsverzicht die Runde macht und sich viele Mitarbeiter dagegen wehren, passiert im Landkreis Oberallgäu das Gegenteil. Dort haben sich die Mitarbeiter von drei kommunalen Kliniken bereit erklärt, vier Jahre auf knapp fünf Prozent ihrer Gehälter zu verzichten, um eine Privatisierung zu verhindern. Doch die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sagt Nein zu einem Sanierungstarifvertrag.

Zwei Betriebsversammlungen gab es und in den vergangenen sechs Monaten viele fast endlose Sitzungen. Am Schluss stimmten 65 Prozent der Mitarbeiter der „Oberallgäuer Kliniken gGmbH“ in Sonthofen, Immenstadt und Oberstdorf dem so genannten Sanierungstarifvertrag zu, sagt der Betriebsratsvorsitzende Sebastian Kohler. Wesentlicher Bestandteil ist zum einen der genannte Gehaltsverzicht, dafür aber investiere der Landkreis als Träger noch einmal in die Krankenhäuser, und er biete den Mitarbeitern eine Beschäftigungsgarantie. Sogar die Kassen hätten Entgegenkommen signalisiert.

Nicht so die Verantwortlichen bei Ver.di in München. „Die haben uns fast ein halbes Jahr verhandeln lassen und sagen jetzt einfach Nein zum Sanierungstarifvertrag“, beklagt sich ein wütender Betriebsratvorsitzender. Er hat inzwischen seine Ehrenämter bei Ver.di ruhen lassen, mindestens zwanzig Mitarbeiter der Kliniken sind bereits aus der Gewerkschaft ausgetreten.

Doch Unverständnis über das Ver.di-Nein ist auch vom Sonthofener Bürgermeister Herbert Buhl zu hören, der die kommunale Trägerschaft für sinnvoller hält als eine private. „Im Falle des Sanierungstarifvertrags bleiben die Gehaltseinschränkungen auf vier Jahre begrenzt, wenn privatisiert wird, dürften diese Einschränkungen von Dauer sein.“ Auch der Aufsichtsratschef der drei Kliniken, Landrat Gebhart Kaiser (CSU), hat für die Ver.di-Reaktion kein Verständnis. „Die Mitarbeiter hätten eine Jobgarantie bekommen, und der Landkreis würde noch einmal sieben Millionen Euro investieren, um die Häuser wirklich fit zu machen.“ Wenn das nicht klappe, bleibe nichts anderes übrig als die Privatisierung.

Doch die wollen die Klinikbeschäftigten um keinen Preis. Mindestens sieben Prozent Gehaltseinbußen und zwar auf Dauer befürchten sie, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Petrus Stehle. Er hat deshalb auch an Ver.di-Chef Bsirske einen Brandbrief verfasst und um Vermittlung gebeten. Keinem Mitarbeiter sei es leicht gefallen, den Einschnitten zuzustimmen, aber nachdem die Notwendigkeit dazu erkannt wurde, habe man es getan und sei jetzt umso mehr frustriert.

Dominik Schirmer, der Klinikexperte bei Ver.di in München sagt, der Landkreis habe nicht ausreichend dargestellt, dass ohne den Verzicht der Mitarbeiter eine Sanierung nicht möglich sei. Ver.di habe unmissverständlich als Tarifpartner ein unabhängiges Gutachten zu dieser Problematik angefordert. Die Gewerkschaftsaustritte seien zwar bedauerlich, aber es dürfe eben nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung mit benachbarten Kliniken kommen. Und das müsse man befürchten, zumal die drei Oberallgäuer Kliniken schon angekündigt hätten, ihre Leistungen auszuweiten.

Die aufgebrachten Beschäftigten wollen diese Argumente aber nicht gelten lassen. Für den heutigen Montag ist nun ein Treffen zwischen dem Betriebsrat und der Münchener Ver.di-Führung in Kempten anberaumt worden. Doch zwischenzeitlich hat der Kreistag Oberallgäu bereits beschlossen, den Landrat mit der Vorbereitung einer möglichen Privatisierung zu beauftragen. Die Betriebsräte und Gewerkschafter vor Ort hoffen, diese Privatisierung vielleicht doch noch abwenden zu können. KLAUS WITTMANN

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