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Kritische Makrelen

Der Erlebnis-Hotel-Park zur „Findet Nemo“-Manie: Im Aquadom fühlt man sich wie ein Fisch im Wasser und kann in Hotelzimmern mit Blick aufs Aquarium nächtigen

Hätte Erich Honecker vielleicht auch gefallen: ein großes Aquarium mitten im Palasthotel. Die Luxusherberge mit den „Stasihuren“ und dem lustigen Intershop ist zwar längst abgerissen. Für das im nächsten Frühjahr eröffnende Radisson SAS Hotel hat man sich jedoch einen besonderen Gag einfallen lassen, der prima zum derzeitigen Fischtrend à la Nemo passt.

Hotelzimmer mit Blick auf ein Aquarium im Foyer: Mitten im Hotel steht ein Zylinder mit einer Million Liter Wasser. Das 14 Meter hohe Ungetüm befährt man in einem zweistöckigen Fahrstuhl. Mit vielen Rentnern steht man scheinbar mitten im Mini-Ozean. Leider fehlen noch fast zwei Drittel der Fische im Moment. Die 900, die schon rumschwimmen, sind eher klein, dafür aber sehr schön bunt und oft knallblau. Sie tummeln sich um ein nachgebildetes Korallenriff, das aussieht wie eine Filmkulisse. Das größte Wesen ist eine Art Bergsteiger, der an zwei Seilen hängt und von außen die Scheiben putzt.

Im zweiten Teil des Gebäudes hat man, in Konkurrenz zum Aquarium des Zoos, eine komplette Fischerlebnislandschaft namens „Aquadom Sealife“ geschaffen. Der Rundgang beginnt sinnigerweise an einer Flussquelle, hier natürlich dem Ursprung der Havel. Flußbarsch, Rotfeder und alles, was man als kleine Junge versucht hat zu angeln, schwimmt fröhlich herum. Beim Gang durch die imaginäre Flusslandschaft landet man irgendwann im Hamburger Hafen. Der ist nicht nur im Hintergrund an die Wand gepinselt, sondern wird auch mit Möwen und Autogeräuschen simuliert. Obwohl die Ausstellung durchaus ökokritische Fragen nach Tankerunfällen und den schlimmsten Wasserverschmutzern stellt, kann sie hier nicht wirklich realistisch sein. Dann wäre das Wasser dreckig, stinkig und die Fische wären unsichtbar. So hat man nur kaputte Tonkannen und einen Anker auf den gut gepflegten Kiesgrund gelegt.

Mitarbeiter, die auch aufpassen, dass niemand eine Angel auswirft, erzählen gern von den Fischen. Einer erklärt, wie die vielen Seesterne sich ernähren. Wenn sie eine Miesmuschel sehen, schleichen sie sich ran, schmeißen sich auf die Muschel, stülpen ihren Magen nach draußen und schieben ihn in die Muschel. Wenn die Muschel schlau ist, haut sie spätestens jetzt die Tür zu. Der Seestern verliert dann seinen Magen, der aber, erzählt der Fischpfleger, ist reproduzierbar. Genauso kann der Seestern auch mal ein Stück von seinem Arm abtreten. Wächst auch nach. Viele der Muscheln sind schon leer gefressen, alle paar Tage werden neue gebracht. Dieses Aquarium ist aber auch schon die Actionabteilung. Obwohl, da kratzt sich gerade eine große Languste am Ohr.

Da Fische keine Geräusche machen, hört man im Aquadom säuselige Musik vom Band. In einem Raum mit einem Großaquarium wird sogar ein Gewitter simuliert. Das Blitzen und Donnern ist so realistisch, dass sich ein kleiner Junge heulend zu Papi flüchtet. Sehr schön ist ein großes Rundum-Aquarium, das mit Strömung arbeitet. Man sieht einen ganzen Schwarm Makrelen gegen den Strom schwimmen, was sie, weil sie sehr kritische Fische sind, scheinbar am liebsten machen. Ein Aquarium weiter gibt es sogar Haie. Wenn man den Kopf in eine Art Bullauge steckt, das sich nach innen ins Wasser wölbt, hat man den Eindruck, mitten im Wasser zu sein. Tauchen, ohne nass zu werden und ohne Sauerstoffflasche auf dem Rücken schwimmen zu müssen – super! Gemein nur, dass draußen das Nordsee-Restaurant zu sehen ist. Diese Fischmörder.

ANDREAS BECKER

Aquadom & SeaLife Centre, täglich ab 10 Uhr, Spandauerstr. 3, MitteEintritt Erwachsene 13,50 Euro

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