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Nachmittag der langen Messer im Rathaus

Bei Fußball-Regionalligist Fortuna Düsseldorf übernimmt Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef Joachim Erwin endgültig die Macht. Rathauschef tauscht den Vorstand aus und entlässt den erfolglosen Trainer Massimo Morales

DÜSSELDORF taz ■ Am Ende waren die Pressekonferenzen eine Quälerei für Massimo Morales. Der Trainer von Fußball-Regionalligist Fortuna Düsseldorf musste sich nach jedem Heimspiel von den Schickimicki-Fans im VIP-Zelt beschimpfen lassen. Wenn der Italiener das Spielgeschehen analysierte, ignorierte er meist die dümmlichen Zwischenrufe solargebräunter Edel-Supporter: „Welches Spiel hast du denn wieder gesehen, Trainer?“ Am Freitag Abend hielt Morales nach dem 1:3 gegen die Amateure von Werder Bremen seine letzte öffentliche Spielbetrachtung ab – ein letztes Mal durfte sich der wohlhabende Mob austoben. „Du hast fertig“, pöbelten sie den Schüler von Ex-Bayern-Coach Giovanni Trapattoni an. Einen Tag später war Morales entlassen.

Tabellenfünfzehnter, fünf Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz, wütende Fans, verunsicherte Spieler – Düsseldorfs CDU-Oberbürgermeister und Fortuna-Aufsichtsratschef Joachim Erwin nutzte am Samstag die sportliche Krise bei den Rot-Weißen, um reinen Tisch zu machen. Erwin lud am Nachmittag den Aufsichtsrat des Vereins hochoffiziell ins Rathaus, um alle wichtigen Personalien von dem Clubgremium absegnen zu lassen. Trainer Morales – vor einem halben Jahr noch für den Aufstieg aus der Oberliga gefeiert – trat ebenso ab wie der Rest der vereinsinternen Opposition. Mit dem Leiter der Bezirksverwaltungsstelle Düsseldorf-Eller, Peter Frymuth, installierte Erwin statt dessen einen seiner Untergebenen aus der Stadtverwaltung in der Clubführung. DFB-Jugendfunktionär Frymuth beteuerte: „Wir sind uns jetzt alle immer einig.“

Zuletzt hatte es reichlich Streit rund um das Vereinsgelände am Flinger Broich gegeben. „General Manager“ Thomas Berthold war gemeinsam mit Morales wegen zahlreicher Fehleinkäufe in die Kritik geraten. Im Gegensatz zum Italiener darf der Fußball-Weltmeister von 1990 aber bleiben. Berthold sei „ein wichtiger Türöffner, um an Sponsorengelder heranzukommen“, verteidigte OB Erwin den innerhalb der zahlenden Anhängerschaft verhassten sportlichen Leiter. Angeblich soll Berthold für seine Tätigkeit beim Amateurligisten einen hohen sechsstelligen Betrag kassiert haben – und zusätzlich an den Zuschauereinnahmen beteiligt sein. Bertholds Loyalität scheint ohnehin eher jenem Konsortium um die Firma Walter Bau zu gehören, das für 240 Millionen Euro eine neue Multifunktionsarena in Düsseldorf errichten ließ. Die riskante Investition kann sich nur lohnen, wenn Berthold mit der Fortuna mittelfristig in die Bundesliga aufsteigt.

Neben Berthold und Frymuth soll ein weiterer Erwin-Intimus bei der Fortuna regieren. Hermann Tecklenburg, Bauunternehmer und vor zwei Jahren beim KFC Uerdingen ausgestiegener Mäzen, ist nun Fortuna-Vorstand. Tecklenburg eilt der miserable Ruf eines eitlen Provinz-Patriarchen voraus. Seine letzte, peinlich gescheiterte Aktion in Krefeld war 2002 eine Kooperation mit dem österreichischen Traditionsverein Austria Wien. Aber Tecklenburg hat Geld. Für die chronisch klamme Fortuna eine hinreichende Qualifikation.

Die sportliche Führung übernimmt vorübergehend Uwe Weidemann. Der 41-jährige frühere DDR-Auswahlspieler trainierte bislang die Verbandsliga-Reserve. Sollte Weidemann in den nächsten Spielen gegen Chemnitz und Münster keine Trendwende im Abstiegskampf schaffen, dürfte er rasch abgelöst werden. Als mögliche Trainer gelten Jörn Andersen, Peter Vollmann, Hannes Bongartz und – wie immer bei der Fortuna – Aleksandar Ristic. MARTIN TEIGELER

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