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theaterAlte Menschen, zum Fest aussortiert

„Stille Nacht, heilige Nacht“ dröhnt es wieder in den Einkaufsmeilen. Die Weihnachtszeit treibt unvermeidlich ihrem dreitägigen Finale entgegen. Und während sich die meisten auf Fressgelage und Geschenkorgien im Familienkreis freuen, hoffen einige vergessene, einsame Menschen nur eines: dass diese Tage schnellstmöglich vorüber gehen.

Der Dramatiker Peter Turrini hat sich dieser Vergessenen unter dem Titel „Josef und Maria“ 1980 angenommen. In der Weihnachtsdekoration eines Kaufhauses lässt er am heiligen Abend die Putzfrau Maria und den Nachtwächter Josef aufeinander treffen. Beide Ende Sechzig und beide einsam. Beide haben noch den Krieg miterlebt, aber jeder auf andere Weise. Josef, der alte Genosse, wurde gefoltert, während Maria darauf wartete, dass der Ehemann von der Front heimkehrt. Als er dann kam, setzte es öfter mal Prügel.

Turrini erzählt die Geschichte zweier ganz normaler Menschen am Rande der Gesellschaft. Die Einsamkeit, an jedem anderen Tag wäre sie erträglich. Und so treffen in der Kaufhausdekoration diese beiden Menschen aufeinander, sprechen aneinander vorbei, balzen, weisen zurück und finden am Ende doch zueinander.

Da verlangt es nach starken, aber auch verletzlichen Darstellern wie Maria Mittler (bezaubernd träumerisch) und Rainer Hannemann als gradliniger, manchmal stoischer „letzter sozialistischer Mohikaner“ Josef. Mit großer Spielfreude schaffen sie einen sowohl komödiantischen als auch anrührenden Theaterabend, der oftmals nachdenklich macht und ein großes Publikum verdient hat. In der Regie von Ali Jalaly, der gelegentlich das Tempo hätte anziehen können, macht die Inszenierung auch auf einen Mangel am Theater aufmerksam: Auch hier werden alte Leute gnadenlos aussortiert, ehemalige Lulus und Noras enden als Dienstmagd, Männer dürfen zumindest noch als Lear auf der Bühne sterben.

Peter Turrini, obwohl er kein Stück über alte Menschen schreiben wollte, hat diesem Trend mit „Josef und Maria“ positiv widersprochen. Sandra Pingel

„Josef und Maria“: 4. und 5.12., 12. bis 14. und 18.12., jeweils 20 Uhr, Arkadas Theater Köln, Platenstr. 32, Tel. 0221/955 95 10

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