: Schmitts Suche nach Weite
Martin Schmitt war einer der besten Skispringer der Welt. Seit zwei Jahren kämpft er allerdings mit Knieproblemen und hat deswegen auch seinen Absprung verändert. Seitdem fehlt es ihm an Weite
VON KATHRIN ZEILMANN
Das Skispringen an sich sieht nicht allzu schwer aus. Während zum Beispiel die Ski-Langläufer völlig ausgepumpt ins Ziel kommen und sich dort auch nicht darum scheren, dass Speichel am Kinn herunterrinnt, sehen Skispringer auch nach dem Sprung noch relativ erholt aus. Anfahren, abspringen, fliegen, landen – es wirkt so leicht. Und doch ist die Leichtigkeit nur scheinbar. Denn wie genau das alles funktioniert, wissen die Wenigsten, Skispringen geht über den Erfahrungshorizont eines Hobbysportlers hinaus. Vieles beim Skispringen spielt sich im Kopf ab, punktgenaue Konzentration ist gefragt, minimale Abweichungen im Bewegungsablauf bringen das ganze System durcheinander.
Deshalb ist es auch nicht einfach zu verstehen, wieso Martin Schmitt das Fliegen scheinbar verlernt hat. Immerhin: Sein Trainer Peter Rohwein und er scheinen zu wissen, was falsch läuft. Kurz gefasst: Schmitt macht Fehler beim Absprung. Seit 2002 plagen ihn Knieprobleme, lange konnte er nicht einmal schmerzfrei joggen. Deshalb hat er sich in der Anfahrt eine schonendere Haltung angewöhnt, die das Knie nicht voll belastet. Leider bringt er so nicht genügend Kraft für den Absprung auf, die Konsequenz: Er landet früher als die meisten seiner Konkurrenten. Bei den ersten Saisonspringen in Kuusamo wurde er zwei Mal Vierzigster, „es fehlten dreißig Meter, das war alles zu instabil“, erläuterte er.
Armer Martin! Denn wenn er schwächelt, findet sich nicht irgendein Springer zu früh am Boden wieder, sondern just jener, der aus Deutschland erst ein Skisprungland gemacht hat. Seine sportliche Habenseite: Vier Weltmeistertitel, zwei Siege im Gesamtweltcup, 28 gewonnene Weltcup-Springen. Doch schon seit 2002 ist der Glanz des jugendlichen Helden mit den nicht gerade ordentlich frisierten Haaren verblasst, weil seine Leistungen schwanden, Sven Hannawald die größeren Erfolge feierte und bei den zahnbespangten Teenagern mindestens ebenso beliebt war.
Vor jeder Saison aufs Neue verbreitete Schmitt Zuversicht, dass das Formtief bald überwunden sei. Mit seinen Schwächen und Fehlern geht er offensiv um. Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er sich auf dem dank üppiger Sponsorenverträge verdienten Geld aus besseren Tagen ausruht. Nein, er spricht von „harter Arbeit“, die vor ihm liege, und vom Weg, auf dem er sich noch immer befinde.
Auch die Überlegungen des DSV-Funktionärs Rudi Tusch, technischer Leiter der Skispringer, ihn nach dem Weltcup in Trondheim an diesem Wochenende ein Sondertraining statt Weltcup-Einsätze zu verordnen, nimmt Schmitt scheinbar gelassen hin. Anders als einige Skisprung-Beobachter in Deutschland, die schon gleich eine Demontage des einstigen Helden witterten. Beim DSV hatte man die Aufregung, die aus diesen Sätzen resultierte, ganz offensichtlich unterschätzt. „Er soll doch jetzt erst einmal in Ruhe in Trondheim springen“, heißt es nun beim Verband.
Statt Resignation hat sich Schmitt eine Art Zweckoptimismus angeeignet. In dieser Woche trainierte er mit der Mannschaft in Lillehammer, am Donnerstag ging es per Zug nach Trondheim. Er sagt: „Die Schanze in Lillehammer mag ich. Das gibt ein gutes Gefühl. Ich kann mich nur immer weiter herantasten.“
Jetzt helfen ihm also schon Gedanken an eine vertraute Schanze, weil er in Lillehammer 1998 als 20-Jähriger seine ersten beiden Weltcup-Springen gewonnen hat. Schmitt ist immer noch motiviert. „Und so lange er das ist, werden wir weiterarbeiten“, sagt Trainer Rohwein, der das Training als „zufrieden stellend“ empfindet. Schmitt selbst meint: „Ich weiß, was ich alles schon erreicht habe. Das spornt mich an, wieder dahin zu kommen.“ Dann sieht vielleicht auch bei ihm das Skispringen wieder wunderbar leicht und einfach aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen