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NEUE UMGANGSFORMENGrippevorteil

Mundschutz als Lifestyle-Indikator

Es hat auch Vorteile. Das mit der neuen Grippe. Das unangenehme Küssen an Tresen, Clubeingängen und Wohnungstüren dieser Stadt nimmt eindeutig ab. Wie Ewigkeiten anmutende Momente, in denen sich fast fremde Münder nähern, können endlich umgangen werden. „Ach hey. Hallo! Ja, Vorsicht, Schweinegrippe. Genau. Hihi!“ Toll!

Viel zu reden hat man auch. Halbes Wissen wird freudig geteilt. Wie viele Tote? Impfen hilft. Im Zweifelsfall gibt es eh keine Möglichkeiten zur Massenquarantäne in der Stadt. Medikamente gibt es auch nur für eine gewisse Anzahl „nationerhaltender Menschen“ wie Ärzte und Polizisten. Und am Abend kann man sich bei leiser Langeweile durch endlose Kommentare im Internet lesen. Einer freut sich da richtig, dass er schon immer recht gehabt habe. Der Maya-Kalender geht ja nur bis 2012! Schön, dass ihr es endlich begreift. Und für die ganz Verunsicherten gibt er gleich mal seine E-Mail-Adresse an. Auch Politiker könnten sich gerne bei ihm melden. Er könne das mit dem Erdenende dann jedem Interessierten auch genauer ausführen.

Endlich kann man tanzen, als gäbe es kein Morgen. Endlich das Ersparte ausgeben, am besten im Onlineshop. Innerhalb kürzester Zeit wird der Mundschutz zum Lifestyle-Indikator werden, vielleicht mit angesagt bunter Hippie-Applikation, Modell „Mexico“. Gibt es auch online. Was die Asiaten unzähligen Flugzeugladungen von Thailand-Backpackern nicht schmackhaft machen konnten, haben die Mexikaner nun im Handumdrehen geschafft: Ein neuer Gesichtsschmuck ist etabliert. Und innerhalb kürzester Zeit werden vermutlich auch neue Umgangsformen eingeführt sein. So rät mancher Großkonzern seinen Mitarbeitern auf der Firmenhomepage zu erhöhter Hygiene. Hände waschen, Menschenmassen meiden, und auf Händeschütteln sollte auch besser verzichtet werden. LAURA EWERT

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