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Der Kanzler und Chinas Bauern

Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton besuchte China während seiner Amtszeit einmal – und war gleich am ersten Tag seines Aufenthalts in einem Bauerndorf zu Gast. Kanzler Gerhard Schröder ist ab heute zum sechsten Mal zu Gast. Doch während er bis Mittwoch hauptsächlich deutsch-chinesische Jointventures besucht oder eröffnet, hat er für ein Gespräch mit einem Durchschnittschinesen wieder keine Zeit. Noch immer stellen die Bauern die große Mehrheit: 800 Millionen, über 60 Prozent der Bevölkerung, leben auf dem Land. Kein chinesischer Politiker hat das mehr verinnerlicht als der Mann, der Schröder heute in Peking empfängt.

Premierminister Wen Jiabao besuchte in seiner politischen Laufbahn 1.800 von 2.000 chinesischen Landkreisen. Allein achtmal war er in Anhui, der armen Bauernprovinz im Südosten, die als Testfeld für jede Landwirtschaftsreform in China gilt. Nach dem Planwirtschaftsapparatschik Li Peng (1987–98) und dem Hauruck-Wachstumspolitiker Zhu Rongji (1998–2003) ist Wen Jiabao wohl der erste Regierungschef, der etwas von nachhaltiger Entwicklung versteht. Seine Regierung erhöhte in diesem Jahr die Sozialausgaben um umgerechnet 3 Milliarden Euro und investierte zusätzlich 10 Milliarden in Landwirtschaft, Bildung und Wissenschaft. Doch die Lage der Bauern bleibt verzweifelt: Ihre politische Rechtlosigkeit und die Willkür und Korruption lokaler Behörden unterlaufen alle Bemühungen der Zentralregierung, ihnen zu helfen. Ohne Linderung der Not der 800 Millionen aber könnte der Wirtschaftsboom, an dem der Kanzler bisher in China keinen Zweifel zulässt, eines Tages im Elend ersticken.  GBL

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