crime scene
: Zorn im Herzen

Die Politik hat ihn bekannt gemacht. Bill Clinton zählte Walter Mosley 1992 während des Wahlkampfes zu seinen Lieblingsautoren und empfahl „jedem Amerikaner“ dessen Debüt „Teufel in Blau“ wegen der „schwarzen Perspektive“ auf die Nachkriegszeit – eine Geste mit Blick auf die Wählerstimmen. Trotzdem bewies Clinton Geschmack und schaffte einen verdienten Bestseller. Heute gilt Mosley als einer der Großen unter den US-Krimiautoren.

Hierzulande sind seine Romane zum Teil in merkwürdigen Übersetzungen erschienen, die aus dem Slang der schwarzen Amerikaner eine Art Deppendeutsch machen. Rainer Schmidt verzichtet nun in der deutschen Ausgabe von „Auf Abwegen“ dankenswerterweise auf solche Experimente, so dass man den neuen Roman um den schwarzen Teilzeitdetektiv und Gelegenheitskriminellen Easy Rawlins auch aus diesem Grund gerne liest. Mosleys Serienheld hat sich gerade von seinem alten Leben und den halb legalen Jobs verabschiedet, da bittet ihn ein alter Freund um einen Gefallen. Rawlins soll sich auf die Suche nach Brawley Brown machen, einem Teenager, der sich der „Urban Revolutionary Party“ angeschlossen hat. Es ist 1964, und in L.A. spürt man schon die Spannung, die sich kurz darauf in den Rassenunruhen von Watts entladen wird.

Easy Rawlins hat ein großes Herz und die fatale Neigung, sich selbst in Gefahr zu bringen. Also hilft er seinem Freund und stößt als Erstes auf einen Toten. Bald schöpft er Verdacht, dass es einigen der Revolutionäre nicht um eine gerechtere Gesellschaft geht, sondern darum, die Organisation als Deckmantel für einen Raubüberfall zu nutzen. Um Brawley herauszuhalten, lässt Rawlins sich sogar auf einen Deal mit einem Bundespolizisten ein – für einen Sympathieträger in einem schwarzen Krimi überschreitet er überraschend eindeutig die Grenze zum Spitzel. Doch Rawlins ist ein Einzelgänger, der weder mit der Polizei noch mit seinen schwarzen Brüdern Geschäfte macht. Auch die Revolution muss ohne ihn auskommen: „’ne große Bestellung“, ist sein Kommentar, als ihm eine Kämpferin einen Vortrag über „bessere Schulen und Arbeitsplätze“ hält und „Leute, die aussehen wie wir, in der Regierung“.

Letzterer Traum ist mittlerweile Wirklichkeit geworden, wenn auch nicht so, wie viele Schwarze es gehofft hatten. Walter Mosley hat es sich deshalb gründlich mit dem politischen Establishment verdorben, in das Bill Clinton ihn eingeführt hatte. In seinem Essayband „What Next“ bezweifelt er, dass Colin Powell oder Condoleezza Rice die schwarze Bevölkerung repräsentieren und erklärt, warum die Anschläge vom 11. September die meisten Afroamerikaner nicht überrascht haben: „Wir wissen, was man in anderen Teile der Welt angesichts der amerikanischen Demokratie-Rhetorik empfindet. Auch wir sind hinsichtlich der Freiheit belogen worden und tragen einen ähnlichen Zorn in unseren Herzen.“ Für noch einen Wahlkampf dürfte Mosley nicht gebucht werden. KOLJA MENSING

Walter Mosley: „Auf Abwegen“.Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt. Argon, Berlin 2003. 320 Seiten, 19 Euro 90