: Ende der Schonzeit
An Kölner Hauptschulen schwänzt jeder zehnte Schüler, zeigt eine Uni-Studie. Polizei will Blaumacher ansprechen
KÖLN taz ■ Schulabsentismus nennen es die Fachleute, als „Blaumachen“ ist es Schülern bekannt. Schwänzen ist ein Phänomen, das, eingebettet in die aktuellen Diskussionen zum Bildungsstand, neuerdings verstärkt in den Fokus von Pädagogen und Soziologen gerückt ist.
In Köln wurde das Blaumachen jetzt sogar Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung. Im Auftrag der vom Land NRW angestoßenen Initiative „Netzwerk Erziehung in Schule“ hat das Forschungsinstitut für Soziologie der Uni Köln untersucht, welche Schüler wie oft unentschuldigt fehlen. Dazu wurden die Klassenlehrer an allen Kölner Hauptschulen befragt. „Eine Totalerhebung“, nennt Michael Wagner, Leiter des Forschungsinstituts, das stolz. Dass andere Schulformen unberücksichtigt blieben, begründet er damit, dass Schuleschwänzen erfahrungsgemäß ein Hauptschulproblem sei.
An drei Stichtagen im November 2003 mussten im Rahmen der Untersuchung die Klassenlehrer dokumentieren, welche Schüler anwesend waren und welche nicht. Die Ergebnisse zeigen: Zehn Prozent der Schüler fehlten den ganzen Tag, fast die Hälfte davon unentschuldigt. „Es spricht nichts dagegen, diese drei Tage als repräsentativ anzunehmen. Es könnte höchstens sein, dass bei warmem Wetter im Sommer noch mehr Schüler blaumachen“, sagt Wagner.
Klassenwiederholer
Die Gründe für das Schuleschwänzen sieht er sowohl in den Elternhäusern als auch gesamtgesellschaftlich verursacht. „Kinder aus bildungsfernen Haushalten oder von Eltern, die sich nicht ausreichend um ihren Nachwuchs kümmern, sind anfälliger für Schulabsentismus“, so Wagner. Die Schulschwänzer seien in der Regel leistungsschwach und häufig Klassenwiederholer. Migrationshintergründe führten eher nicht zum Schuleschwänzen, denn die Studie zeige, dass es überwiegend deutsche Kinder sind, die blaumachen. Möglicherweise gingen ausländische Schüler selbstverständlicher zur Hauptschule und fühlten sich dadurch nicht unbedingt benachteiligt, vermutet Wagner. Deutsche Kinder wären anfälliger für den Schulfrust, der letztlich auch dadurch verursacht werde, dass Hauptschulabsolventen schlechte Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben.
Hilfe von außen
Als Gegenmaßnahmen empfiehlt Wagner zunächst eine konsequente Registrierung der Schulschwänzer durch die Schule und offene, verständnisvolle Gespräche mit Schülern und deren Eltern. „Man muss aber auch die Unterrichtsangebote überprüfen“, sagt er. „Mehr handwerklich orientierte Inhalte führen vielleicht dazu, dass alle Schüler zur Schule kommen.“
Monika Janssen als Kölner Schulamtsdirektorin und Mitglied im „Netzwerk Erziehung in Schule“ sieht allerdings auf diesen Ebenen keinen verstärkten Handlungsbedarf. „Das wird in den Kölner Hauptschulen alles schon gemacht“, sagt sie und setzt eher auf Hilfe von außen. Jugendamt, Ordnungsamt und Polizei sollen jetzt in Zusammenarbeit mit den Schulen das Problem in den Griff bekommen.
„Wir werden in den Stadtteilen Kooperationen initiieren, in denen alle Beteiligten zusammenarbeiten. In Mülheim und Nippes beginnen wir damit Anfang des Jahres“, so Janssen. Dort werden dann Polizisten und Mitarbeiter des Ordnungsamtes gezielt Kinder und Jugendliche ansprechen, die sich vormittags in Kaufhäusern oder auf der Straße aufhalten. Stellt sich heraus, dass sie in der Schule sein müssten, werden Eltern und Lehrer informiert. Sind die Blaumacher fügsam, bringt die Polizei sie zur Schule. Zwingen kann sie keinen dazu. „Wir werden natürlich niemanden mit Gewalt in die Schule bringen lassen“, stellt Janssen klar. Christiane Martin
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