: „Humanität und Qualität“
Das Zuwanderungsgesetz hält nicht, was Behrens erhofft
NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) ist ein zufriedener Mann. Er freut sich, dass am 1. Januar 2005 nach langen politischen Auseinandersetzungen das neue Zuwanderungsrecht in Kraft tritt. Schließlich mache dies „die Behördenwege für unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger einfacher und kürzer“, wie der Minister gestern erklärte.
Bei seiner Rosinenpickerei stieß Behrens auf lauter positive Folgen des neuen Gesetzes: EU-Bürger brauchen künftig keine Aufenthaltsgenehmigung mehr und müssen sich nur noch, wie Deutsche, beim Einwohnermeldeamt anmelden; AusländerInnen wird die Arbeitsgenehmigung – falls sie eine bekommen – direkt von der Ausländerbehörde erteilt, der Gang zum Arbeitsamt entfällt; die Härtefallkommission wird ins Gesetz aufgenommen; Terroristen und Menschenhändler können vereinfacht ausgewiesen werden.
Doch Flüchtlingsorganisationen teilen Behrens‘ Euphorie nicht. Der Flüchtlingsrat NRW kritisiert, dass die im Gesetz „angeblich“ vorgesehenen neuen Möglichkeiten der Arbeitskräftezuwanderung tatsächlich zur Begründung „massiver Einschränkungen des Asyl- und Flüchtlingsrechts“ dienten. Auch Behrens‘ Hoffnungen auf eine bürokratische Vereinfachung des Ausländerrechts teilen die Flüchtlingsvertreter nicht. Zwar gebe es in Zukunft nur noch zwei rechtliche Aufenthaltstitel, doch diese unterschieden sich je nach Grund des Aufenthalts. Flüchtlingsorganisationen rechnen damit, dass die Rechtslage noch komplizierter wird als bisher.
Doch der Innenminister will sich seine Freude nicht vermiesen lassen. Er findet, „das neue Zuwanderungsgesetz schafft mehr Humanität und Qualität.“ Humanität zum Beispiel durch Behrens‘ liebstes Kind, die Härtefallkommission. Die darf den Ausländerbehörden – in ein paar wenigen Ausnahmefällen – empfehlen, die eine oder andere Person nicht abzuschieben. Für den Innenminister ist das eine „humanitäre Zusatzleistung“, für die Flüchtlingsvertreter nur eine Farce. Denn bindend sind die Empfehlungen der Kommission nicht. Auch eine so genannte „Altfallregelung“, die seit Jahren hier „geduldeten“ Ausländern ein langfristiges Aufenthaltsrecht verschaffen würde, fehlt im neuen Zuwanderungsgesetz.
Ein weiteres, viel diskutiertes Kernstück des Gesetzes sind die Vorschriften zur Integration von bereits hier lebenden Ausländern und Neuankömmlingen. „Mit Sprachkursen soll die Chancengleichheit und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gefördert werden“, erklärte Behrens. Was der Innenminister verschweigt: an den Kosten für die obligatorischen Kurse sollen sich die Migranten selbst beteiligen.
Dafür gibt es ab dem 1. Januar vor jeder Einbürgerung oder Erteilung einer „Niederlassungserlaubnis“ eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Menschenrechtler kritisieren diesen Generalverdacht, für den Innenminister hingegen ist es eine angemessene Maßnahme im Kampf gegen den Terrorismus.
Doch niemand soll mehr sagen, Deutschland schotte sich ab und erkenne die Realitäten als Einwanderungsland nicht an: Wer als Ausländer eine Million Euro investiert und zehn Arbeitsplätze schafft, ist herzlich willkommen. ULLA JASPER
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