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GOLDENER MARKTHimmlisch Klein Blue

Vor einem Sportwagen wäre das auch hübsch

Überall Pferde. Er zählte auf Anhieb ein Dutzend. Und andauernd kam noch eines vorbeigeritten bzw. -getrabt. In den Picknickkorb hatte Manni vorsorglich ein paar Kunstbücher gepackt, das stellte sich als sehr weise heraus. Anders als Biene, die einfach daliegen und in den frühlingsblauen Himmel starren konnte oder nur atmen, wurde Manni hibbelig, sobald er keine weißen Wände um sich hatte. Hier gab es bloß Gatter und Hecken und höchstens mal einen Baum. Der Beton des Märkischen Viertels drüben wirkte weich und ganz unwirklich dagegen.

Um nicht Grashalme zählen zu müssen, nahm Manni sich das neue Buch von Isabelle Graw vor. Isabelle Graw lehrte an der Städelschule Kunsttheorie und war auch sonst nach seinem Geschmack, wie sie ihn vom Buchdeckel her so kokett über die Schulter hinweg anlachte. Hätte sie nicht vor einer Bücherwand posiert, sondern vor einem Sportwagen, dachte Manni, wäre das auch hübsch gewesen. Graw hatte einen verflixt klugen Text geschrieben über die Kunst und den Markt und den Künstler als schlauen Strategen. Beim Rumzappen zwischen den kurzen Kapiteln stieß Manni auf ein Foto von 1962, das Yves Klein und Dino Buzzati beim marktreflexiven Akt der Übertragung von Immaterialität zeigte. Und das ging so: Klein verkaufte künstlerische Energie, sogenannte pikturale immaterialisierte Zonen, also eigentlich Luft, für 20 Gramm Feingold das Stück. In der Deluxe-Version blies der Künstler die Hälfte des Goldes, zum doppelten Preis und unter notarieller Aufsicht, gekonnt in die Luft, die andere Hälfte steckte er ein. Danach gehörte die Zone für immer und alleine dem glücklichen Käufer.

Manni klappte das Buch zu. Eine Biene landete auf Bienes Schulter und flog weiter. Der blaue Himmel schimmerte an den Rändern. Manni hätte schwören können: wie Gold. SASCHA JOSUWEIT

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