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Driften ins Nirgendwo

Uraufführung der Kammeroper „Kommander Kobayashi“ von NOVOFLOT in der wiedereröffneten Opera stabile

Im Anfang war Kobayashi, und Kobayashi war bei Gott, und Gott war Kobayashi. In Wirklichkeit ist Kobayashi Kommander – es ist nur unklar, von was. Doch Näheres bleibt auch am Ende des ersten Teils der Opern-Saga, die den Namen des Tenors Soichi Kobayashi trägt, ungewiss. Mit der Uraufführung der drei Kammeropern dieser ersten Staffel von „Kommander Kobayashi“ wurde am Freitag die Experimentalbühne der Staatsoper, die Opera stabile, wiedereröffnet. Hier lernen wir die vier Hermenauten Scrabble, Go, Tii! und Ma kennen, die ihr Raumschiff vor einem Kometen retten. Wir treten eine Reise in den Kopf des K. an und erfahren, dass er durch einen Programmierfehler großes Unheil angerichtet hat. In der Folge „set phasers on KILL!“ versuchen die Hermenauten, die Macht zu erobern.

„Abgefahren!“, möchte man sagen. Aber die Unschärfe der Handlung ist das Konzept des Mammutprojekts der Berliner Opernkompanie NOVOFLOT, um den sechs beteiligten KomponistInnen alle Freiheiten beim Werkeln zu lassen. Musikalisch dominieren moderne Klänge. Viel Blech hier, mehr Streicher dort. Helmut Oehring stemmt einige überraschungslose Klangblöcke. Jennifer Walshe lässt im Orchester Plastiktüten knistern und Stofftiere streicheln. Trotz Solo- E-Gitarre, Live-Elektronik und Tierstimmen ist der Höreindruck aber wenig spektakulär.

Jede einzelne Leistung der beteiligten Künstler ist brillant. Das Orchester gibt sich den Werken der jungen Komponisten hin. Die SängerInnen stottern, reiten Glissandi und bellen, glucksen und zwitschern. Tänzerische Choreographien und gymnastische Übungen lockern die spärliche Bühnenhandlung auf. Videos, die vom smarten Atari-Kometen bis zum perfekten Trailer die Schicksalsgemeinschaft begleiten, hinterlassen ein klares Leuchten. Allein, die Teile kommen nicht zusammen. Teils weil sie konzeptionell unscharf bleiben; teils weil die schwarze Hallendecke der Opera stabile die flache Bühne erdrückt, weil die SängerInnen die Video-Leinwand oder die Hinterköpfe des Publikums die Bühne verdecken.

Die interdisziplinäre Autorenschaft des Projekts ist ein hoher progressiver Ansatz, der die Oper in die Zukunft führen kann. Aber inhaltlich fällt „Kommander Kobayashi“ auf zeitgeistige Worthülsen zurück, die nirgendwohin driften. Nicht ins Dunkle, nicht zum Licht. Nicht ins Konkrete, nicht ins Nichts. Nicht mal ins Religiöse. Christian T. Schön

nächste Vorstellung: 4.2., 19.30 Uhr, Staatsoper

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