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Archiv-Artikel

Nachhilfe für Vorschüler

Bei jedem vierten Kind reichen die Deutschkenntnisse nicht für die Schule. Diese Zahlen sind zwar besser als in Vorjahren, doch das liegt nur am neuen Test. Verpflichtende Sprachkurse für 550 Kids

von SABINE AM ORDE

Ein Viertel aller angehender SchulanfängerInnen spricht schlecht Deutsch. So schlecht, dass sie gezielt gefördert werden müssen, damit sie dem Unterricht folgen können. Das ist das Ergebnis des Sprachtests „Deutsch Plus“, das Bildungssenator Klaus Böger (SPD) gestern vorstellte. Insgesamt wurden alle 34.700 Jungen und Mädchen getestet, die im August eingeschult werden. 9.000 von ihnen brauchen Sprachförderung. Aber nur 550 werden wirklich zusätzliche Unterstützung bekommen: Jene Kinder, die weder eine Kita noch eine Vorklasse besuchen. Für sie ist die Teilnahme an einem Sprachförderkurs Pflicht. Die anderen Kinder sollen, so Böger, weiter in ihren Einrichtungen gefördert werden. Für sie gibt es kein zusätzliches Personal.

Die Schulanfänger wurden zum ersten Mal mit dem neuen Test Deutsch Plus überprüft, der auch in anderen Bundesländern eingesetzt wird. Bei dem Vorgängertest „Bärenstark“ waren die Ergebnisse noch dramatischer: Nach der letzten Erhebung benötigte fast die Hälfte der Vorschulkinder Sprachförderung, bei den Migrantenkindern waren es sogar 80 Prozent. Die Ursache dafür, aus Sicht vieler GrundschullehrerInnen: Der neue Test ist leichter. Deutsch Plus zeigt, dass der Förderbedarf bei den Kindern am größten ist, die keine vorschulische Einrichtung besuchen. Bei der Hälfte von ihnen reichen die Deutschkenntnisse nicht für die Schule. Bei Kindern, die eine einjährige Vorklasse besuchen, sind es ein Drittel, bei Kitakindern ein Viertel der getesteten Kids.

Wie zu erwarten, ist in Bezirken mit einer schwierigen Sozialstruktur und einem hohen Migrantenanteil der Förderbedarf am größten: in Mitte (50 Prozent), Neukölln (46 Prozent) und Friedrichshain-Kreuzberg (41 Prozent). Am geringsten ist er in Treptow-Köpenick (10 Prozent).

Für die 550 Kinder, bei denen ein Förderbedarf festgestellt wurde und die in keiner vorschulischen Einrichtung sind, beginnt am 1. Februar ein Sprachkurs, an dem sie teilnehmen müssen. „Das ist eine vorgezogene Schulpflicht“, betonte Böger. In sechs- bis zehnköpfigen Kleingruppen sollen die Kinder an den Grundschulen täglich mindestens zwei Stunden lang Deutsch lernen. Dafür hat Böger 30 zusätzliche LehrerInnen eingestellt, die eine entsprechende Zusatzausbildung haben.

Weil weniger Kinder als ursprünglich erwartet unterrichtet werden müssen, sind Kapazitäten frei. Der Bildungssenator erwägt deswegen, den Kurs auf täglich drei Stunden zu verlängern. Kritiker betonen, das Angebot reiche so oder so nicht aus. Die Bildungsverwaltung vermutet, dass im kommenden Jahr mehr Kinder an den Sprachkursen teilnehmen müssen. Dann werden nämlich die kostenlosen Vorklassen an den Grundschulen abgeschafft. Und dass alle Eltern ihre Kinder stattdessen in die Kita schicken, wird bezweifelt.

Für die Sprachkurse, aber auch für Kitas und Grundschulen hat das Landesinstitut für Schule und Medien (Lisum) ein Materialpaket erstellt, das neben einem Sprachlerntagebuch für jedes Kind Broschüren zu 14 Themenbereichen umfasst. Sie sollen den PädagogInnen Grundinformationen und Anregungen liefern. Gesponsert werden sie von der Landesbausparkasse.

Unterdessen fordern die Grünen, die Sprachförderung in den Kitas „endlich zu verstärken“. Sie wollen 250 arbeitslose LehramtsanwärterInnen zur Deutschförderung in den Kitas einsetzen. Bezahlt werden sollen diese wie Erzieherinnen, sagte der bildungspolitische Sprecher Özcan Mutlu im taz-Interview. Im Gegenzug sollen die PädagogInnen eine Einstellungsgarantie für den Schuldienst bekommen.

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