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theaterLebenslange Liebesbriefe

Es beginnt mit kleinen Zettelchen, die in der Klasse von Hand zu Hand ihren Empfänger finden. Melissa und Andy sind schon auf der Schule befreundet, über 50 Jahre hinweg werden sie sich Liebesbriefe schreiben. Manchmal treffen sie sich auch, landen sogar in einem Bett und manchmal sind sie dabei auch glücklich. Aber richtig zueinander finden die beiden nie.

In „Love Letters“ setzt US-Dramatiker Albert Ramsdell Gurney der schwindenden Kunst des Briefeschreibens ein Denkmal. Da gibt es lange Ergüsse, kurze Bemerkungen, Grüße von der Stange, Fragen und Antworten, immer per Hand geschrieben. Ein Pingpongspiel der Liebe. Mal geht es hektisch hin und her, mal schlägt der eine über längere Zeit ins Leere, weil der andere eine Auszeit genommen hat. Mal kommen raffiniert angeschnittene Bälle, mal nur solche aus dem Standardrepertoire.

Perfekt gesetzte Gestik und Mimik verhindern, dass die Inszenierung des Zwei-Personen-Stücks im Kölner Theater im Bauturm zur szenischen Lesung erstarrt. Regisseur Martin Bürgens variiert das Tempo, der Wechsel von Tragik und Komik, Verstand und Gefühl, Oberflächlichkeit und Offenheit macht dieses Ringen um die Liebe zu einem mitreißenden Theaterabend.

Zwei völlig unterschiedliche Charaktere sitzen auf der schwarzen, leeren Bühne hinter ihren Tischen. Im Anzug steif und pedantisch Andy (Gerhardt Haag trotz unterkühlter Emotionalität sympathisch), die Briefbögen zu korrekten Stapeln ordnend, stets beherrscht, fordernd, karrierebewusst, aus intakter, eher armer Familie, ein folgsamer Sohn und sich immer wieder entschuldigend. Sich auf dem Stuhl räkelnd Melissa (einfach hinreißend Renan Demirkan, egal ob als junge Göre oder verzweifelte Frau) im kleinen Schwarzen, ein freches Mädchen, chaotisch, emotional, zynisch, ein reiches Scheidungskind, auf der Suche nach der großen Liebe durchs Leben torkelnd, dem Alkohol verfallen.

Am Ende, Melissa ist tot, wird es leicht sentimental. Andy erkennt, dass er wohl die Liebe seines Lebens verpasst hat. Und das mitfühlende Publikum trauert mit ihm. Aber wer weiß, ob es gut gegangen wäre... Jürgen SCHÖN

„Love Letters“: 29. und 30.1., 9. und 10.2., jeweils 20 Uhr, Theater im Bauturm Köln, Aachener Str. 24, Tel. 0221/52 42 42,

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